DIE
NEGATIVITAT
DAS NICHTS - DER
ABGRUND - DAS SEYN
1. Uber Hegel
Die Erorterungen,
die wir in der Form einer Aussprache versuchen, sollen nicht den
Gang Ihrer Arbeit an der Auslegung von Hegels "Logik" storen.
Die Fragen, denen wir zustreben, wollen aber auch nicht von aussen
her in Hegels Philosophie "einfallen" mit jener
"Ungeduld der einfallenden Reflexion"1, die einer
Systematik des Denkens, zumal von der Art der Hegeischen, durchaus
zuwider und deshalb auch unfruchtbar sein muss.
Allerdings gilt uns
Hegel auch nicht nur als ein beliebiger Anla? und Anhalt fur
eine philosophische Auseinandersetzung. Seine Philosophie steht
endgultig in der Geschichte des Denkens - oder wollen wir sagen:
des Seyns - als die einzigartige und noch nicht begriffene
Forderung einer Auseinandersetzung mit ihr - fur jegliches
Denken, das nach ihr kommt oder auch nur erst die Philosophie
wieder vorbereiten will - und vielleicht muss.
Nietzsche, der sehr
langsam und spat genug sich aus der von Schopenhauer ubernommenen
klaglichen Verunglimpfung und Mi?achtung Hegels frei machte,
sagte einmal, dass "wir Deutsche Hegelianer sind, auch wenn
es nie einen Hegel gegeben hatte".2
Das Einzigartige
der Philosophie Hegels besteht zuerst darin, "W. F. Hegel,
Wissenschaft der Logik. Herausgegeben von Georg Lasson. Leipig
1925. Vorrede zur zweiten Ausgabe, S. 21.
2 Vgl. Friedrich
Nietzsche, Die frohliche Wissenschaft, V.Buch, n. 557. WW
(Grossoktavausgabe) Bd. V, S. 250.
4 Die Negativitat
das es uber sie
hinaus einen heheren Standpunkt des Selbstbewusstseins des Geistes
nicht mehr gibt. Daher ist ihr gegenuber kunftig ein Standpunkt
endgultig unmoglich, der so, wie die Hegeische Philosophie
ihrerseits jede fruhere Philosophie im voraus schon standpunktma?ig
unter sich haben mu?te, der Hegeischen Systematik noch hoher ubergeordnet
sein konnte.
Soll nun freilich
der Standpunkt einer notwendigen Auseinandersetzung mit der
Hegeischen Philosophie ihr gleichwohl gewachsen, und d. h. doch,
in wesentlicher Hinsicht uberlegen, zugleich aber auch wieder
nicht von au?en zugetragen und aufgeredet sein, dann mu? dieser
Standpunkt der Auseinandersetzung zwar in der Hegeischen
Philosophie, jedoch als der ihr selbst wesensma?ig unzugangliche
und gleichgultige Grund verborgen liegen. Da? und warum
allerdings der Standpunkt der Schellingschen Spatphilosophie
keineswegs als ein Hegel uberlegener Standpunkt in Anspruch
genommen werden darf, soll hier nicht verhandelt werden.
Die
Auseinandersetzung mit Hegel steht daher im Hinblick auf die
Einzigartigkeit des Standpunktes seiner Philosophie auch unter
einzigartigen Bedingungen. Sie hat nichts gemein mit irgendeiner
"Kritik", d. h. Verrechnung von Unrichtigkeiten,
herausgerechnet nach Ma?staben vorangegangener oder inzwischen
wiederum erneuerter fruherer Standpunkte - etwa des Kantianismus
oder der mittelalterlichen Scholastik oder des Cartesianismus.
Das Andere, was
einer grundsatzlichen Auseinandersetzung mit Hegel zu denken
gibt, hat seinen Grund in dem, was Hegel schon fruhzeitig und
immer wieder fur sich und sein System als Auszeichnung in
Anspruch genommen hat: da? der Standpunkt seiner Philosophie
wirklich ausgearbeitet und da? das Prinzip seiner Philosophie
durch alle Gebiete (Natur, Kunst, Recht,
3 Vgl. ubungen WS
1957/58, Die Grundstellungen der abendlandischen Metaphysik. [Die
Aufzeichungen zu den ubungen werden in den Seminarbanden der IV.
Abteilung der Gesamtausgabe veroffentlicht.]
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn
Staat, Religion)
hindurch verfolgt und dargestellt ist. Die Philosophie darf sich
nach Hegel nicht mit einem blo?en "Pfiff" einer neuen
Weisheit begnugen4; das Prinzip mu? sich im Ganzen des Seienden
zeigen und dieses so als das Wirkliche bewahren. "Wahre
Gedanken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in der Arbeit des
Begriffes zu gewinnen. Er allein kann die Allgemeinheit des
Wissens hervorbringen, welche weder die gemeine Unbestimmtheit und
Durftigkeit des gemeinen Menschenverstands, sondern gebildete und
vollstandige Erkenntnis, noch die ungemeine Allgemeinheit der
durch Tragheit und Eigendunkel von Genie sich verderbenden
Anlage der Vernunft, sondern die zu ihrer einheimischen Form
gediehene Wahrheit, - welche fahig ist, das Eigentum aller
selbstbewu?ten Vernunft zu sein."
Ob freilich die
Ausarbeitung des Systemprinzips, wie sie Hegel fordert, fur jede
Philosophie uberhaupt gilt oder nur fur die Art der
Systemphilosophie des deutschen Idealismus, und auch, was diese
Forderung in gewandelter Form fur ein anderes Fragen bedeutet,
kann hier nicht erortert werden. In jedem Falle aber kommt eine
grundsatzliche, d. h. auf das Prinzip und den Standpunk
gerichtete Auseinandersetzung mit Hegel in die Gefahr, mit dem blo?en
Prinzip gerade das zu fassen, oder nicht einmal das zu fassen, was
das Leere und Unbestimmte bleibt und nicht die gemeinte
Philosophie selbst ist.
Daraus mochte man
folgern, da? eine der Hegeischen Philosophie im Ganzen
angemessene grundsatzliche Auseinandersetzung mit ihr allein auf
einem Wege zu erreichen ist, der jedem Schritt Hegeischen Denkens
in jedem Gebiet seines Systems folgt.
Doch was ware
hierbei anderes zu erreichen, grundsatzlich
4 Vgl. G. W. F.
Hegel, Phanomenologie des Geistes. Nach dem Text der
Originalausgabe herausgegeben von Johannes Hoffmeister. Leipzig
1957. Vorrede, S. 43.
5Vgl. den Brief
Hegels an v. Raumer 1816: uber den Vortrag der auf Universitaten.
WWXVn, S.551f.
Die Negauvitat
gesprochen, als
immer wieder nur die Vorfuhrung desselben Prinzips, wenngleich in
einer je anderen, dem Gebiet uberhaupt (Kunst, Religion) zugehorigen
Durchdringungsfahigkeit und Aufhellungskraft? Dies ware gewiss
kein Geringes - und doch nie das Entscheidende. Andererseits aber
verbietet sich die losgeloste Erorterung des leeren Prinzips und
des durftigen Gerippes der Systemgestalt, weil so das Prinzipsein
des Prinzips nicht zur Erscheinung gebracht wird.
Nach diesen uberlegungen
steht und fallt jede grundsatzliche Auseinandersetzung mit Hegel
je nachdem, ob sie zugleich und einheitlich den beiden Forderungen
genugt: einmal einen ursprunglicheren, aber doch nicht von
aussen einfallenden Standpunkt zu beziehen, zum anderen das Grundsatzliche
in seiner Bestimmtheit und Bestimmungskraft ursprunglich zu
fassen, unter Vermeidung der Entleerung des Systemprinzips und
seiner nur formalistischen Erorterung, wie sie sich in den ublichen
- historischen -, d. h. von einer wesentlichen Frage nicht
geleiteten Darstellungen findet.
Wo also muss die
kritische Besinnung ansetzen, um jener doppelten Forderung zu genugen?
Welches ist diejenige Grundbe-stimmung der Hegeischen Philosophie,
deren Durchdenkung in einen ursprunglicheren Standpunkt zuruckfuhrt,
weil sie von diesem her erst wahrhaft als eine solche erblickt
werden kann? Und welches ist diese Grundbestimmung, dass sie
zugleich dem Durchgearbeiteten des Hegeischen Systems gerecht
bleibt?
Wir behaupten:
diese Grundbestimmung ist die "Negauvitat". Bevor wir
aber zur naheren Kennzeichnung der Hegeischen Negativitat ubergehen,
sind einige Vorfragen ins reine zu bringen.
(1) Die
Klarstellung eines Bedenkens gegenuber dem Wert einer solchen
Auseinandersetzung.
(2) Die Festlegung
der Begriffssprache, die bei der Auseinandersetzung ins Spiel
kommt.
(5) Die vorlaufige
Kennzeichnung des Standpunktes und des Prinzips der Hegeischen
Philosophie.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 7
Zu (l) Die
Klarstellung eines Bedenkens gegenuber dem Wert einer solchen
Auseinandersetzung
Man kann
bezweifeln, ob die Hegeische Philosophie heute noch eine
Wirklichkeit ist, so dass es scheint, als bliebe die
Auseinandersetzung mit ihr, auch wenn sie sich noch so sehr um das
Grundsatzliche bemuht, eben doch nur ein gelehrtes Spiel des ublichen
philosophiehistorischen, wie man sagt
"problemgeschichtlichen" Historismus - eine Vergegenwartigung
der Philosophie Hegels als einer vergangenen, bei der vielerlei
Merkwurdiges zur Kenntnis genommen werden darf, und die
vielleicht auch, grundlich genug betrieben, einiges zur Scharfung
des Verstandes beitragt. Aus diesem Zweifel, ob ein solcher
Historismus mehr sei und sein konne als gelehrte Beschaftigung,
spricht die Meinung, die Wirklichkeit einer Philosophie' bestehe
in ihrer Wirkung und Nachwirkung. Als ob Hegels Philosophie heute
etwa dann noch wirklich ware, wenn es einen Hegelianismus gabe
und sofern es ihn in der Tat noch in mancherlei Form gibt! Das
eine Philosophie eine Schule hervorbringt und das diese wiederuni
eine "Philologie" und Gelehrsamkeit uber die
betreffende Philosophie betreibt, ist zwar eine Wirkung der
Philosophie - und eine nieist gleichgultige; diese Wirkung enthalt
aber nie das, was die betreffende Philosophie aus sich und in sich
geschichtlich ist.
Die Wirklichkeit
der Hegeischen Philosophie last sich auch nicht nach dem
bemessen, was sie fur das "Leben" der damaligen Zeit
durch den unmittelbaren, zeitgenossischen Einflus bedeutete. Wir
begegnen da der landlaufigen Ansicht, Hegels Philosophie und der
deutsche Idealismus uberhaupt seien stets eine verstiegene
Spekulation einiger phantastischer Kopfe ge-blieben und so
"ausserhalb" des sogenannten "Lebens"
gestanden. Demgegenuber ist zu sagen, das der deutsche Idealismus
im Ganzen und Hegels Philosophie im besonderen eine geschichtliche
Wirkungskraft entfaltete, deren Weite und deren Grenzen wir
Heutigen noch gar nicht ubersehen, weil wir von
8 Die Negativitat
ihr uberallher und
ohne sie als solche zu kennen, uberflutet werden. Allerdings muss
man wissen, das diese Art von "Wirkung" einer
Philosophie gerade nicht darin besteht, das ihre Lehren ubernommen,
wie man sagt: "vertreten", und dann nach geeigneter
Zubereitung in die sogenannte Praxis des "Lebens" ubergefuhrt
und dadurch bestatigt und in der Geltung gehalten werden. Die
"Wirkung" der Philosophie hat das Ratselhafte an sich,
das sie, auf ihre "Zeit" wirkend, gerade das
Gegenteilige ihrer selbst hervorruft und zum Aufstand gegen sich
zwingt. Kurz gesagt: Ohne den deutschen Idealismus und ohne Hegels
Metaphysik im besonderen hatte der Positivismus des 19.
Jahrhunderts und unserer Gegenwart niemals die Festigkeit und
Selbstverstandlichkeit erreichen konnen, die ihm eignet.
Das Zeitalter, in
dem Nietzsche verwurzelt und verfangen war, ist ohne Hegel nicht
denkbar; ganz zu schweigen von Marx und dem Marxismus, der ja mehr
ist als eine bestimmte Formulierung des Sozialismus. Eine blose
Scheinwirklichkeit hat die He-gelsche Metaphysik allerdings, und
zwar dort, wo die heutigen Hegelianer sich zusammenrotten, um im
Namen des Hegeischen "konkreten" Denkens sich zeitgemuss
zu machen. uberall ist Hegel heute noch wirksam, aber stets in
einer Umkehrung und Verkleidung oder wiederum in der Gegenbewegung
gegen diese. Die christliche Theologie beider Konfessionen ist
durch Hegel bestimmt und mehr noch durch die hieraus erwachsenden
religionsgeschichtlich theologischen Gegenbewegungen und
Gestaltungen des kirchlichen Bewusstseins.6
Und trotzdem: Auch
diese Wirklichkeit seiner Philosophie, verstanden als die ihr
eigentumliche geschichtliche Auswirkung, macht nicht das aus, was
diese Philosophie als Philosophie ist, noch ist und sein wird.
Hierbei denken wir keineswegs an eine uberzeitliche Geltung von
etwaigen "richtigen" Satzen, die man in ihr neben
vielem Unrichtigen und Fehlerhaften und
6
"Bankrott" - "dialektische Theologie".
Katholische Theologie: Weg-Scheide; Studium meiner Freiburger
Zeit.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 9
Hinfalligen
ausfindig machen mochte. Wir meinen vielmehr "nur"
dies: das diese Philosophie ist, - das hier dasjenige, was die
Philosophie zu denken hat, in einer ausgezeichneten Weise gedacht
ist; das hier etwas geschieht, was nicht ausserhalb der
"Zeit" verlauft, wohl aber seine eigene Zeit hat, indem
es sie jeweils ursprunglich grundet. Wir durfen das
geschichtliche Sein einer Philosophie nicht und nie mit den
Massteben der Historie messen; Wirkung und Wirksamkeit auf das
sogenannte Leben ist kein moglicher Gesichtspunkt fur die
Beurteilung einer Philosophie und somit auch nicht fur die Abschatzung
des Wertes einer Auseinandersetzung mit ihr; denn alles
"Leben" und was man so nennt, "lebt" nur aus
der Verkennung und Abkehr von der Philosophie, - womit nur gesagt
ist, das es der Philosophie notwendig und in einer sehr verfanglichen
Weise bedarf. Die Philosophie aber kann eine solche Abwendung des
"Lebens" von ihr niemals fur einen Mangel halten,
sondern muss von der Notwendigkeit derselben wissen. Was die
abendlandische Philosophie und wie sie geschichtlich ist, das
kann durch historische uberlegungen und Bedenken nicht
entschieden werden, sondern lest sich je nur im philosophischen
Denken selbst erfahren.
Zu (2) Die
Festlegung der Begriffssprache, die bei der Auseinandersetzung ins
Spiel kommt
Philosophie ist die
abendlandische Philosophie; - es gibt keine andere als die abendlandische,
sofern das Wesen dessen, was Abendland und abendlandische
Geschichte ist, durch das bestimmt wird, was uberhaupt
Philosophie heisst. Darunter haben wir, unter Absehung von jedem
Schulbegriff und jeder historischen Deutung der Philosophie als
einer Kulturerscheinung, zu verstehen: die Besinnung auf das
Seiende als solches im Gan-^n, kurz - aber auch wieder unbestimmt,
weil mehrdeutig - das Fragen der Seinsfrage.
"Sein"
ist das Grundwort der Philosophie. Was wir in diesem
10 Die Negativitat
wesentlichen und d.
h. zugleich anfanglich geschichtlichen Sinne "Sein"
nennen, heisst fur Hegel "Wirklichkeit" (vgl. unten).
Waruni es gerade zu dieser Benennung bei Hegel kommt, das ist im
innersten Wesen der Geschichte der abendlandischen Philosophie
begrundet; wieso - das wird sich aus unseren Erorterungen
ergeben.
Was dagegen Hegel
mit "Sein" bezeichnet, dem geben wir den Namen
"Gegenstandlichkeit", eine Benennung, die durchaus das
trifft, was Hegel selbst auch meint. Warum er aber diese
"Gegenstandlichkeit" "das Sein" nennt, das
ist wiederum keine willkurliche Namensgebung. Sie entspringt aus
den Notwendigkeiten eines philosophischen Standpunktes, den Hegel
selbst durchlaufen und mitsetzen muss, um seine Philosophie zu
begrunden.
Hegels Begriff der
"Wirklichkeit"
(Nach der Vorrede
der "Grundlinien der Philosophie des Rechts". In der
"Logik": absolute Idee; in der "Phanomenologie des
Geistes": absolutes Wissen, aber auch "Sein".)
Wirklichkeit:
Seiendheit als Vorgestelltheit der absoluten Vernunft. Vernunft
als absolutes Wissen - unbedingt sich vor-stel-lendes Vor-stellen
und dessen Vorgestelltheit.
Damach allein wird
entschieden, was "vernunftig" ist und was als
"wirklich" angesprochen werden kann. Von hier aus ist
Hegels oft angefuhrtes und ebenso oft missdeutetes Wort zu
verstehen:
"Was vernunftig
ist, das ist wirklich;
und was wirklich
ist, das ist vernunftig."7
Dieses Wort wird in
sein Gegenteil verkehrt, wenn man unter "wirklich" das
gemeine "Wirkliche", d. h. Vorhandene, einer
7 G. W. F. Hegel,
Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede. WW, S. XIX (ed.
Hoffmeister S. 14).
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 11
zufalligen
"Gegenwart" versteht und unter Vernunft den zufalligen
Verstand des Selbstverstandlichen des gemeinen Denkens.
Der Satz gibt nicht
eine Feststellung im Sinne einer Gleichsetzung eines angetroffenen
Vorhandenen und einer gerade einleuchtenden Meinung des "vernunftigen"
Lebewesens, Mensch genannt, - sondern er ist der Grundsatz der
Wesensbestimmung des Seins. Sein ist Vorgestelltheit des unbedingt
sich vorstellenden Vorstellens (des Denkens) - die Vernommenheit
der Vernunft. Der Satz ist nicht eine praktische Regel uber die
Beurteilung des Seienden, sondern sagt den Wesensgrund der
Seiendheit des Seienden. Der Satz ist daher auch nicht zu
widerlegen damit, das vieles "Vernunftige" (im gewohnlichen
[?] Sinne) gerade nicht "geschieht" und
"verwirklicht" wird, also ausbleibt, und das vieles
"Wirkliche" doch gerade "unvernunftig" ist
(im Sinne des rechnenden Verstandes). Der Wesenssatz ist uberhaupt
nicht zu "widerlegen".
Fur Hegel ist
somit "das Sein" nur eine einseitige Bestimmung dessen,
was die Philosophie, und auch die Hegeische Philosophie, denkt und
befragt: des Seins, in dem Sinne der Seinsfrage als der Besinnung
auf das Seiende als solches im Ganzen.
Auch Nietzsche
gebraucht, um das beiher zu sagen, das philosophische Grundwort
"Sein" in einem eingeschrankten Sinne;
und zwar ist die
Einschrankung zuinnerst verwandt mit der Hegeischen; nicht weil
sie etwa historisch vom Hegeischen Sprachgebrauch unmittelbar
entlehnt ware (ich furchte, Nietzsche hat Hegels
"Logik" nie "gelesen", geschweige denn im
Ganzen durchdacht), sondern weil die beiden eingeschrankten
Wortverwendungen "Sein" - die Nietzsches und die Hegels
-geschichtlich denselben Grund haben, der kein anderer ist als der
Anfang der Geschichte der Philosophie und d. h. ihres bisherigen
Wesens als "Metaphysik".
Bei der
Auseinandersetzung mit Hegel ist daher stets zu bedenken, ob
Hegels Begriff des Seins oder der wesentliche Begriff des Seins
gemeint ist. Das hat insofern seine weittragende
12 Die Negativitat
Wichtigkeit, als
Hegel das "Nichts", was gewohnlich doch als die
Verneinung des Seienden uberhaupt und im Ganzen gilt, in einen
entscheidenden Zusammenhang bringt mit dem eingeschrankt
gefassten "Sein". - Das hier ganz Anderes als nur
"terminologische" Unterscheidungen in Frage steht,
bedarf keiner weiteren Betonung.
Zu (5) Die vorlaufige
Kennzeichnung des Standpunktes und des Prinzips der Hegeischen
Philosophie
a)
"Standpunkt" heisst dasjenige, worin stehend der
Philosophie, ihrem Denken, das Zudenkende als solches zuganglich
wird. Hegels Standpunkt ist der des absoluten Idealismus.
("Idealismus" echt und eigentlich erst im neuzeitlichen
Sinne:
idea als perceptum
der perceptio als cogitatio - als "Bewusstsein".) Der
Standpunk allgemein derjenige des Bewusstseins. Sein ist
Vor-stellen und Vor-gestelltheit des Vor-stellens; unbedingte
Subjektivitat.
b)
"Prinzip" heisst dasjenige, womit die Philosophie anfangt,
so zwar, das der Anfang dasjenige ist, was als tragender Grund des
Denkens des Zudenkenden bleibt. Hegels Prinzip lautet:
"Die Substanz
ist Subjekt" oder: das Sein (jetzt im wesentlichen Sinne
genommen) ist "Werden". Hegel fangt mit dem Anfang an,
sofern fur ihn Werden eben Anfangen ist. "Werden": das
sich vor-stellende Vor-stellen, Sich-zum-Erscheinen-Bringen. In
der Logik bringt sich das Werden selbst als Werdendes und d. h. in
seinen unbedingten Bedingungen ins Werden. Aber ist dieses eine
absolute Bestimmung des "Anfangs" und Anfan-gens - oder
nur die Hegeische, d. h. metaphysische? Die Auslegung des Wesens
des Anfangs! Woher? Womit fangt Hegels eigentliche Philosophie,
die "Logik", an? Mit dem "Werden" - es ist
"Grund"; nicht etwa das "Sein", dieses ist
Ausgang - Das Werden "ist", indem es "wird".
c) Inwiefern
"Standpunkt und Prinzip" zusammengehoren
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 1
und worin sie
zusammengehoren, muss sich am besten aus der Besinnung auf
bestimmte Standpunkte und Prinzipien ergeben.
Nach dieser kurzen
Behandlung der drei Vorfragen versuchen wir die nahere
Kennzeichnung dessen, worin unsere Auseinandersetzung Fus fast -
der Negativitat.
2. Durchblick
l. Die Bestimmung
des "Standpunkts" und des "Prinzips" der
Hegeischen Philosophie; Begriff von "Standpunkt" und
"Prinzip". Standpunkt: der absolute Idealismus, Begriff
des Ab-solu-ten, Unbedingtheit des ego cogito certum. Prinzip: Die
Substan-tialitat ist die Subjektivitat. "Sein" als
"Werden" des absoluten Wissens.
2. Die
Kennzeichnung der Hegeischen "Negativitat" als
Unterschied des Bewusstseins. Die erste Frage: Ob dieser
Unterschied aus dem Bewusstsein als Wesen geschopft, oder ob die
Kennzeichnung als Unterschied zur Bestimmung des Bewusstseins
(Subjekt-Objekt-Beziehung) verwendet wird, oder ob beides Eines
und weshalb?
5. Die
Verdeutlichung der Negativitat in der Gestalt des Andersseins:
Etwas und das Andere. Das Andere als das Andere des Anderen.
4. Warum die
Negativitat nicht vom Hegeischen Nichts her
' Vgl. Zusatze und
Anhang zu "Was ist Metaphysik". [Wird veroffentlicht in
einem Band der IV. Abt. GA: "Hinweise zu veroffentlichten
Schriften".]
Vgl. Beitrage
[Martin Heidegger, Beitrage zur Philosophie (Vorn Ereignis)
1J56/58. Gesamtausgabe Band 65, hrsg. von F.-W. von Herrmann.
Frankfurt a. M. 1989].
s Vgl. Das Seyn
[GA, III. Abt.], vgl. Philosophie als Auseinander-selzung [GA,
"I. Abt.], vgl. Hegelvorlesung [GA Bd. 52] und ubungen uber
"Phanomeno-logie des Geistes", "Logik" und
Rechtsphilosophie [GA, IV. Abt.]. - Vgl. die erneute Auslegung von
Schellmgs Freiheitsabhandlung, 1941. [Handschriftlicher Zusatz aus
der Durchsicht 1941. -Vgl. GABd. 49, S. 105 ff.]
14 Die Negativitat
bestimmt werden
kann, da es doch die "Verkorperung" der Nichtheit zu
sein scheint; das Nichts dasselbe mit dem Sein -beide nicht als
Unterschiedene; hier noch kein Unterschied, keine Negativitat.
5. Hegels Begriff
des "Seins" entsprungen dem Ab-bau der absoluten
Wirklichkeit - das auserst Unterschiedene zu dieser. Die auserste
Entausserung! Aber die absolute Wirklichkeit als Wille.
6. Die absolute
Wirklichkeit (das Sein im weiteren Sinne) aus der Ab-sage gegen
die systematische (System-gemasse) Begrundung des Unterschiedes
von Sein und Seiendem. Diese Absage (bereits Vollendung der
Verwahrlosung) aus der Vergessenheit der Unterscheidung. Die
Vergessenheit aus der gewohntesten Gewohnung in den Unterschied.
Der Ab-bau aus dieser Absage hier notwendig; diese liegt im Wesen
der absoluten und der Metaphysik uberhaupt, sie ist und wird mit
dem Vollzug dieser stets vollzogen.
7. Diese Ab-sage
eine wesensmassige Voraussetzung der moglichen Ab-solutheit des
unbedingten Denkens.
8. Wie von hier aus
die vollige Auflosung der Negativitat in die Positivitat des
Absoluten zu ersehen ist. Die "Negativitat" ist die
"Energie" des unbedingten Denkens, weil sie von Anfang
an alles Negative, Nichthafte schon darangegeben hat. Die Frage
nach dem Ursprung der "Negativitat" ist ohne Sinn und
Grund. Die Negativitat ist das Fraglose: Negativitat als Wesen
der Subjektivitat. Die Negativitat als die Verneinung der
Verneinung grundet im Ja zum unbedingten Selbstbewusstsein - der
absoluten Gewissheit als der "Wahrheit" (d.h. Seiendheit
des Seienden).
9. Die
Fraglosigkeit der Negativitat als Folge der Fraglosigkeit des
Wesens des Denkens.
10. Das Denken als
Vollzug der vorstellenden (als sich vorstellen) Bestimmung des
Seienden und als Vorgabe des Gesichtskreises der Auslegung des
Seins (Vernommenheit - Anwesenheit- Gedachtheit).
Das Nichts - der
Abgrund. - das Seyn 1
11. Die Selbstverstandlichkeit
des Denkens als der Wesensauszeichnung des Menschen im Sinne des
denkenden Tieres. Die Seiendheit des Seienden seit Descartes in
sich das Vor-stel-len. Bewusstsein als Selbstbewusstsein.
12. Die
Fraglosigkeit der Negativitat und die Frage nach dem Verhaltnis
des Menschen zum Sein (nicht nur zum Seienden). Die eigentliche
Frage des "Anthropomorphismus".
15. Das Sein
erfragt nicht aus dem Seienden und auf dieses zu als Seiendheit,
sondern in sich zuruck in seine Wahrheit. Die Lichtung des Seins
- angezeigt duch eine Besinnung auf das noch unbegriffene
einheitliche Wesen des Denkens im Sinne von: Ich stelle etwas vor
als etwas im Lichte des Seins. Die Lichtung als Ab-grund - das
Nichts, das nicht nichtig, sondern das eigentliche Schwergewicht,
das Seyn selbst.
14. Das Sein
unterschieden zum Seienden. Die Fragwurdigkeit der Kennzeichnung
des "Verhaltnisses" von Sein und Seiendem als
Unterschied. Der Ansatz zur uberwindung der Fragwurdigkeit: Das
Sein im Entwurf; das Ent-werfen aber als Da-sein.
15. Die Negativitat
wird nur fur das metaphysische Denken in der Positivitat
verschluckt; das Nichts ist das abgrundige Gegen zum Seyn, aber
als dieses dessen Wesen. Das Seyn selbst in seiner Einzigkeit; die
"Endlichkeit" des Seyns; das Vordergrundliche und
Missdeutbare dieser Kennzeichnung.
16. Das Nichts
denken heisst: die Wahrheit des Seyns erfragen und die Not des
Seienden im Ganzen erfahren. Das Nichts denken ist nicht
Nihilismus. Das Wesen des Nihilismus besteht darin, das Nichts zu
vergessen in der Verlorenheit an die Machenschaft4 des Seienden.
17. Die Herrschaft
der Machenschaft des Seienden zeigt sich am sichersten darin, das
die Metaphysik als der Grund dieser Machenschaft in ihrer
Vollendung das "Sein" zur leeren Nichtigkeit herabsetzt.
Hegel: das "Nichts" als die blose Unbe-
4 (Ge-stell!) [spatere
Randnotiz in der Abschrift F. H.]
Die Negativitat
stimmtheit und
Unvermitteltheit - die Gedankenlosigkeit als solche. Nietzsche:
das "Sein", der letzte Rauch einer verdunstenden Realitat.
5. Das Werden
l. Als Un-bestandigkeit
- Verleugnung der Restandigkeit. So aber mehrdeutig: a)
Restandlosigkeit - bloses Fliesen und Verfliesen. b) Das
fortgesetzte ubergehen, c) Die Unruhe als Standigkeit (!) der
Ursprunge.
2. Das
Zu-sich-selbst-Kommen - das absolute Wissen als Werden
(Freiheit!). Dieses muss, weil es (das Negative des Unmittelbaren)
Wissen und die Wirklichkeit Gedachtheit ist, gedacht werden, und
im Sich-denken allein vermag es zu "sein". Um aber
Sich-selbst yre-bedingt zu denken, muss es sich selbst seiner
selbst zum aussersten (zum blosen Sein) entaussern. Diese
Selbstentauserung nur, um sich eigentlich und einzig zu gewinnen
und im Gewinnen zu haben und im Haben zu "sein", d. h.
seinem Wesen gemuss zu "wirken". Das erste,
"Was" wird, ist das Werden selbst. Werden ist das
unbestimmt Unmittelbare des Zu-sich-selbst-Kommens.
5. Das
"Sein" als Unwandelbarkeit; antik; christlich:
Augu-stinus, De sermone Domini in monte II, 7, 271; De trinitate
V, 2,5,1, 6f.2; De moribus Eccies. Cath. II, 1,15.
' Patrologiae
Cursus completus. Series Latina, accurante J.-P. Migne. Tomus
XXXIV. Sancu Aurelii Augustini Opera omnia, Paris 1861. Tomus
III, l. De sermone Domini in monte, liber II, cap. VII, n. 27.
2 a.a.O., Tomus
VIII (Patrologia XLII). De Irinitate, liber I, cap. Vif.; liber V,
cap. II, n. 5.
5 a.a.O., Tomus I
(Patrologia XXXII). De moribus Ecciesiae Catholicae et de moribus
Manichaeorum, liber II, cap. I, n. l.
1. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn
17 4. Negativitat
und das "Nichts"1
l Das "ganz
abstrakte", begriffslose ("gedanken"-lose, das
formale) Nichtsem (Anfang der Logik). Ganz abstrakt, d. h. sogar
noch abgezogen aus der ersten Abstraktion, dem unmittelbaren,
unbestimmten Vorstellen, dessen Vorgestelltes in seiner Vor-
?-estelltheit noch
gesetzt und d. h. im Un- negiert, ist das reine
"Nichts".
2. Die abstrakte
Negativitat: a) erste Negation (bedingte), b) "die
zweite" Negation - wechselweise hangenbleiben in
Subjekt-Objekt-Reziehung. Die "erste" unterscheidet
schon Subjekt und Objekt gegeneinander und ist in jeder Hinsicht
bedingt.
5. Die konkrete
Negativitat - die unbedingte. Die Negation der
"Negation" als (a und b).
"Das
Nichts" - als Nicht des Seienden. "Das Nichts" -
als Nicht des Seins.
Die Negativitat
muss, so scheint es, am "Nichts" in ihrer reinsten und
entschiedensten Form anzutreffen sein; das ist auch so, nur bleibt
die Frage, wie dabei das "Nichts" zu begreifen sei.
Hegels
"Nichts": das erste Wahre, d. h. "Seiende" im
weiteren Sinn ist das Werden; es ist der Unterschied von Sein und
Nichts als Unterschied, der keiner ist. Das Nichts ist vom Sein
nicht verschieden, kein Anderes zu ihm, sondern dasselbe. Weshalb,
inwiefern? Aufgrund der Auslegung des Seins. Weil das Nichts kein
Unterschiedenes, Negation aber "Unterschied", deshalb
gerade am "Nichts" die Negativitat nicht aufzuhellen.
Aber etwa am Sein? Dieses aber dasselbe, deshalb umgekehrt: d. h.
aus der Negativitat das Sein, mit dem das Nichts dasselbe ist.
Und dabei kommt vielleicht das "Wesen" der Negativitat
zum Vorschein.
Vgl. Hegels Begriff
des Seins. [Siehe unten Nr. 8, femer Nr. 15, 16 u. 18.]
18
Die Negativitat 5.
Negativitat und Anderssem
Etwas und Anderes:
so wird das Etwas zum Einen des Anderen und das Andere zum Anderen
des Einen. Der Unterschied ist nach jeder Seite einseitig bedingt.
Erst wenn das Eine
das Andere wird zum Anderen des Anderen - wenn das Eine zum
Anderen wird -, werden die Unterschiede nicht einseitig
entgegengesetzt und zugleich herab-, sondern wechselweise
hinaufgesetzt in die wechselweise Zusammengehorigkeit als ihren
"Grund"; sie verlieren die Moglichkeit der Bedingnis
und werden selbst die Bedingten.
Die unbedingte
Negativitat ist jene, die weder durch das Eine noch durch das
Andere des Einen, noch durch das Andere des Anderen bedingt ist,
sondern von beiden losgelost sie erst in ihre Wechselbeziehung
bindet.
Die drei bzw. vier
Negationen: Bewusstsein - Selbst - absolutes Wissen.
Die absolute
Negativitat: l. Aufsteigerung der ersten und abstrakten oder
Grund dieser? 2. Wenn Grund - dann woher?
Waruni die absolute
Negativitat vom Einen und Anderen (Anderssein) her, nicht einfach
vom "Nichts", wo doch offenbar das Nichthafte und
Negative gleichsam in persona erscheint?
6. Negativitat und
Andersheit
Die erste Negation
- die abstrakte. Die absolute Negation - die Negation der
Negation.
Die Andersheit -
hier als Wesen des Anderen an ihm selbst. Dieses ist nicht das
Anderssein des Anderen im Unterschied zum Einen. Dieser
Unterschied setzt beide von einander weg. Das Andere an ihm selbst
ist das Andere zum Anderen, so zwar, das dieses zu ihm als seinem
Grund gehort und gleichwohl unterschieden ist. Das Andere des
Anderen verhalt sich zu sich selbst im Unterschied.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 19
Absolute Andersheit
- das unbedingte Sich-auf-sich-selbst-Be-ziehen.
7. Negativitat -
Bewusstseinsunterschied - Subjekt-Objekt-Beziehung und Wesen der
Wahrheit
Wesen der Wahrheit
aber? Woher und wie?
Das Wesen des
Menschen: Warum und inwiefern als Grundfrage zu stellen? Woher das
Wesen des Menschen zu bestimmen? Wie ist es zu bestimmen? Wodurch
diese Bestimmung selbst bestimmt (gestimmt!? Weshalb
"Stimmung"?
Bewusst-sein (als
ego cogito der Subjekt-Objekt-Beziehung) und Denken im Sinne der
ratio und des voug des animal rationale.
Hegels
"Negativitat" gerade nicht aus dem Nichts und dessen
Selbigkeit mit dem "Sein" zu begreifen; weil hier kein
"Unterschied".
Das
"Nichts" selbst - das Gedankenlose schlechthin und
dieses nur innerhalb des unbedingten Denkens (somit aus dem Sein
im wesentlichen Sinne).
Sein und Nichts
kein Unterschied - aber gleichwohl: Sein ein
"Unterschiedenes", das "Negative" eigener
Negationen. Welcher?
8. Hegels Begriff
des Seins
Als das ure-bestimmte,
[/"-vermittelbare, genauer: die Un-be-stimmtheit und
Un-vermitteltheit schlechthin. Jenes ist das "Seiende"
und nur das Seiende als solches; dieses nennt das Nichts - als die
Seiendheit des nur Seienden.
Was nicht ein
Seiendes ist, ist "Nichts". (Aber "ist" jedes
Nichts nur das Nicht-Seiende?) Ein Seiendes aber ist fur Hegel
ein irgendwie Bestimmtes und Vermitteltes.
Nicht ein Seiendes
und niemals ein Seiendes "ist" auch das
Die Negativitat
Sein; es ist daher
das Un-bestimmte und Un-vermittelte. Sein als Seiendheit gedacht
ist: Unbestimmtheit und Unmittelbar-keit.
Das Nichts (als das
Nicht von Seiendem) ist hier nicht gegen das Sein unterschieden;
dieses ist selbst das Nichts, so das kein Unterschied vorliegt - namlich
kein Unterschied schon innerhalb der zu denkenden Gedachtheit als
der Seiendheit des Seins. Und dennoch liegt ein Unter-schied vor,
der kein beliebiger ist und auch nicht "hier", an diesem
Beginn, auftaucht, sondern sich hier nur im ausersten
"zeigt", d.h. sich im Hegeischen Sinne verhullt und als
ein solcher nie heraustreten kann, weil das Denken seiner nicht
bedarf, namlich innerhalb seines Werdens, mit dem es anfangt.
Gleichwohl bedarf das Denken als Denken der Gedachtheit durchaus
dieses Unterschiedes, namlich des Unterschiedes des Seienden und
des Seins. Diesen "Unterschied" last das unbedingte
Denken hinter sich, oder es last sich nie zu ihm herab, und doch
ist es von ihm abhangig, wenngleich nur in der verfanglichen
Weise der Absage - eine Weise, die doch gerade dem unbedingten
Denken nicht entgehen durfte. Aber sie muss ihm entfallen, weil
es sonst im Ganzen seiner Unbedingtheit noch einmal im hochsten
und vollstandigen Sinne ein be-dingtes werden musste, bedingt
durch das "Ding", das da heisst: das Seiende im Ganzen.
Diese Absage an den
alles grundenden Unterschied druckt sich darin aus, das Hegel
sagt, die Unterscheidung von Sein und Nichts sei keine. Dieser grundende
Unterschied ist jedoch das, was in "Sein und Zeit" (vgl.
Vorlesung SS 27, Schluss) die "ontologische Differenz"
genannt wird.1 Welche "Negativitat"
' Anm. d. Hg.: Der
Terminus "ontologische Differenz" kommt, in den beiden
ersten Abschnitten von "Sein und Zeit" - und nur diese
wurden seinerzeit unter dem Titel "Sein und Zeit" veroffentlicht
- nicht vor. Der Terminus wird vielmehr erstmals genannt in der
Marburger Vorlesung vom Sommersemester 1927 "Die
Grundprobleme der Phanomenologie" (GA Bd. 24, S. 522U.), die
Heidegger dort (S. l) in einer Anmerkung als "Neue
Ausarbeitung des 5. Abschnitts des I. Teiles von >Sein und
Zeit" bezeichnet.
/. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 21
' t hier im Spiel?
(Wie der Zusammenhang mit dem "als":
etwas als seiend?)
Auch hier ist trotz
der Unbedingtheit des Denkens und der Gedachtheit das Sein (im
weiteren Sinne) auf das Seiende zu, als Seiendheit, angesetzt.
Auch die "Logik" ist noch, ja will sein: Metaphysik.
Nur hat sich jetzt
dasselbe Verhaltnis, das seit dem Anfang der Geschichte des
Denkens als Metaphysik (bei Platon) besteht und den Anfang
eigentlich ausmacht (der Unterschied des Seienden im Ganzen und
des Seins) gleichsani umgekehrt;
"gleichsani"
aber nur, weil erst vom neuzeitlichen Denken her eine Umkehrung
vorgefunden werden kann, sofern das Seiende im Ganzen als
"Objekt" uberhaupt genommen wird und das
"Subjektive" (die Gedachtheit als Sein)
"gleichsam" in sich verschluckt; wahrend am Ende der
Geschichte der Metaphysik die Subjektivitat als unbedingte
Subjekt-Objekt-Beziehung alles in ihre Gedachtheit denkend einbehalt.
Geschichtlich
begriffen aber ist im Anfang das Sein selbst das Seiendste nach
der Art des Seienden im Ganzen - (piJOlg;
und am Ende soll
das Seiende im Ganzen in das reine Sein als die Gedachtheit des
unbedingten Denkens aufgelost und jeder Nachblick zu einem
"Seienden" als Abfall gedacht wer
Hegels absolute
Negativitat geradezu auf ihren "Ursprung" befragt
Ist diese Frage
entscheidbar; ist sie uberhaupt eine Frage? Ist nicht Hegels
Negativitat fraglos eine solche des Denkens und der Gedachtheit?
"Denken" und das "Nicht"?
Bewusstsein -
Unterschied - Subjekt-Objekt-Beziehung - Denken; "ich denke
etwas" und dies transzendental, d.h. "als". Uenken
als Denken des Seins (Seiendheit des Seienden). Das Denken ist
zumal (neuzeitlich) Bewusstsein und Unter-
22 Die Negativitat
schied. Aber in
weichein Sinne? Was besagt das Zusammenfallen von Bewusstsein und
Unterschied? Das Denken:
1. das Denken des
Seins (voelv) - als Vor-denken in den Nachtrag der Seiendheit des
Seienden ("als");
2. das Bedenken des
Seienden (oiavoeioOcti) - das Aussagende, Urteilen
("als").
Wie verhalten sich
2. und l.? Ist l. nur eine Verallgemeinerung von 2.?
Das erstanfangliche
Wesen des "Denkens".
10. Hegels
Negativitat
Wenn die
eigentliche Negativitat - namlich die absolute - nicht eine
blose Aufstockung und Anreicherung von einer abstrakten Negativitat
zur anderen ist, sondern die wesenhafte Negativitat als die
"Energie" des absolut Wirklichen selbst, dann muss
umgekehrt die abstrakte Negativitat aus der unbedingten
"entspringen". Woher aber diese? Zwar kann es kein Woher
geben, das ausserhalb des aboluten Wissens lage; umso notwendiger
muss daher nach dem Woher innerhalb der absoluten Idee gefragt
werden. Denn noch ist innerhalb der absoluten Idee unentschieden,
was hier das Erste ist: das "Bewusstsein" (einfach
gesprochen) als Ich stelle etwas vor- oder die
"Unterscheidung", die diese Vorstellungsbeziehung als
Unterschied kennzeichnet.
Gesetzt aber,
Bewusstsein und Unterscheidung sind gleichursprunglich, dann ist
zu fragen, inwiefern sie das sind, und wie dann ursprunglich die
Negation zu fassen ist: als das "Entgegen zu", aus dem
das "Nicht" abhebbar als "formales", - oder
als formale Unterscheidung, die erst die Beziehung des Entgegen
ermoglicht.
So wesentlich und
entscheidend durchgangig die Negativitat ist, so fraglos sie mit
der absoluten Idee selbst "ist", so dunkel bleibt doch
ihr Ursprung.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 23
oder sollte fur
Hegel bereits Bewusstsein und Unterschied zur volligen
Gleichsetzung gekommen sein? Was bedeutet dann dieses?
"Bewusstsein"
- als Subjekt-Objekt-Beziehung (Unterschied
als
Sichunterscheiden des Subjekts gegen das Objekt). Das Vorstellen
von etwas als etwas. Das "als" im Sinne eines
Unterschiedes. Welcher Art ist er?
Entwurf auf Sein!
Entwurf und Unterscheidung.
uberall erhebt
sich hier die Frage nach dem Ursprung des formalen
"Nicht" und "Nein" und nach seinem Rang. Kant?
Das formale
"Nicht" und das Nein; das Nein und die Verneinung.
Welches Sagen - Urteilen - Denken? Ent-springt das Nicht dem
Denken? Und was ist dieses? Oder fast das "Denken" nur
das "Nicht"?
Wo ist der Ursprung
der Negativitat? Wo ist sie am reinsten zu fassen? Im Anfang? Im
Sein und Nichts? Das ist ja kein Unterschied. Gewiss nicht; das
Sein ist hier nicht das Eine zum Nichts als dem Anderen, wohl aber
ist das Sein das unbedingteste und schlechthin Anderste zur
absoluten Wirklichkeit. Also das Sein selbst ist das unbedingteste
Unterscheiden; nicht zum "Nichts", sondern zur absoluten
Wirklichkeit.
1. Es grundet in
der volligen Negation (das heisst?) der absoluten Negation; die
Absetzung gegen alle Bestimmung und Vermittlung. Woher also diese
vollige Negation der absoluten Negation? Was besagt sie? Das vollige
Ent-werden des unbedingt Entwerdbaren und Entwordenen.
2. Mit Sein und der
absoluten Wirklichkeit zumal ist uberdies noch und schon
unterschieden gegen das Seiende das Sein im weiteren Sinne
(Kategorien).1 Das Sein entspringt zumal der volligen Negation der
absoluten Negativitat und der ebenso volligen Differenz gegen
das Seiende uberhaupt. Woher diese Negationen? Wieso etwa aus der
absoluten und mit der absoluten Negativitat?
1 Vgl. Hegels
Begriff des Seins [siehe oben Nr. 8, S. 19ff.].
24 Die Negativitat
Das Sein:
1. aus dem Abbau
(Negation) der absoluten Negativitat; sie wird zur Aussetzung
gebracht (das Un- aller Bestimmung und l Vermittlung, d. h. aller
Unterscheidung);
2. die absolute
Wirklichkeit, deren Energie die absolute Negativitat, selbst aus
der Absage an das Seiende, genauer: an dem i Unterschied von Sein
und Seiendem.
Ab-bau und Absage -
was sind sie im Lichte der Hegeischen i Metaphysik? Ist der
Hinweis darauf ein Einfalt? Oder die innere Setzung des Systems
(nicht Widerlegung) in das und durch das", was selbst
"eigentlich" ist?
Die Negativitat
als die Zerrissenheit und Trennung ist der "Tod" - der
absolute Herr;2 und "Leben des absoluten Geistes" heisst
nichts anderes als den Tod ertragen und austragen. (Aber mit
diesem "Tod" kann es gar nie ernst werden; keine
xaTCt" | OTQOCpr) moglich, kein Sturz und Umsturz moglich;
alles aufgefangen und ausgeglichen. Alles ist schon unbedingt
gesichert und untergebracht.)
Die Philosophie als
ab-solute, als MM-bedingte, muss in einer eigentumlichen Weise
die Negativitat in sich schliessen, und d.h., doch im Grunde
nicht ernst nehmen. Die Los-losung als Behalten, der vollstandige
Ausgleich in Allem. - Das Nichts gibt es gar nicht. Und das
scheint doch auch in der besten Ordnung zu sein. Das Nichts
"ist" Nichts und ist nicht.
Ab-bau und Absage
sind der "Anfang" des Absoluten. Ist es dieser
"Negationen" selbst, in seiner eigenen Weise, Herr und
wie? Oder sind sie das, was es unterschlagt und vielleicht auch
unterschlagen kann fur sich?
Welchen Wesens sind
beide? Wie gehoren sie zusammen?
2 G.W. F. Hegel, Phanomenologie
des Geistes. Nach dem Text der Originalausgabe herausgegeben von
Johannes Hoffmeister. Leipzig 1957. S. 148.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 2
Abbau - ausserste
Unterscheidung des absoluten Werdens gegen das Ent-werden und
Entwordene.
Ab-sage - (das
Transzendentale und seine Aufhebung), beides schon unbekummert um
die wesentliche "Unterscheidung" von "Seiendem und
Sein". Ist es denn eine "Unterscheidung" -oder kann
das nur als Vor-name, vordergrundliche und zugleich zudeckende
Benennung gelten?
Ab-sage - nicht an
das Seiende, sondern an den "Unterschied".
Jedesmal erhebt
sich die Frage nach dem Denken des Seins;
ob es einfach fur
sich genommen und auf sich gestellt doch den Vollzug seiner Moglichkeiten,
sein eigenes Wesen durchaus erfullt.
Der andere Weg der
Besinnung auf das "Denken".
11. Ruckblick
l. Die Frage nach
dem "Ursprung" der "Negativitat" bei Hegel,
d.h. in der abendlandischen Metaphysik als solcher. Die Frage bezuglich
Hegel: entweder ein herzukommender Behelf (formale Logik, bzw.
Kennzeichnung des absoluten Denkens in seiner Dreifachheit durch
"Unterschiedenheit" - formal) oder aus Bewusstsein. Wie
aber das? D. h. aber im Ganzen Jedesmal aus "Denken".
Die Weite und Leere dieses Fragebezirks und seine jeweilige
Anweisung an die Grundstellung. Vgl. Kant uber das Nichts.1
2. Das Denken und
die Metaphysik. Seiendheit und Denken. Denken - was die Metaphysik
als "Leitfaden" in Anspruch nimmt-nichts ausserhalb
ihrer. Der Ansatz hier, kein EinfaW.
3- Denken - Urteil
(ist, Sein) - Verneinung. Hegels Begriff des Urteils: Teilung des
"Begriffs", d. h. der Entgegengesetzten,
Immanuel Kant,
Kritik der reinen Vernunft. A290H., B546if. (Amphibolie
Reflexionsbegriffe).
26 Die Negativitat
zu ihnen selbst und
dem Zusammenschiessenlassen (Kon-Kretion) in ihre
"Einheit" - das spekulative "ist"! Inwiefern
durch Bezugnahme auf das "Urteil" fur die Aufhellung
des Ursprungs der Negativitat nichts zu erwarten ist.
4. Sein und das
Seiende als das Wirkliche - "Wirklichkeit" und
"Idee" - actualitas.
5. Sein und Zeit.
12. Negativitat
Hegel setzt den
"Unterschied" als Negativitat; oder umgekehrt?
Unterschied aber
ist das Sic/mnterscheiden des Ich zum Gegenstand. Vielmehr, dieses
Sichunterscheiden ist nur eines - das nachste, unmittelbare -
hinzu und weg von...
Der Unterschied ist
das wesenhafte dreifache Sichunterscheiden des absoluten Wissens,
d. h. das Sich-auf-sich-selbst-hezie-hen als Einbezug des
Unterschiedenen.
Dieser Unterschied
ist absolute Negativitat, sofern er das Unterschiedene als das
Andere in seiner Zugehorigkeit zum Einen gerade bejaht und so das
Eine selbst erst zum Anderen macht. Das Nicht der eigentlichen, d.
h. eben unbedingt vor-stellenden Aneignung des Wissbaren in seiner
vollendeten Wissbarkeit des unbedingten SichseZto-Wissens.
So erhebt sich die
Grundfrage:
1. Ist hier
Negativitat im Sinne des Nichthaften nur ein formaler Behelf zur
Kennzeichnung der wesenhaft dreifachen Un-terschiedenheit des
absoluten Wissens? Wenn ja, woher wird dann die Negativitat
selbst genommen (aus dem "Urteil" des
"Denkens"; und dieses? (A "ist" b)) und mit
welchem Recht so benutzt?
2. Oder ist jene
Unterschiedenheit des absoluten Ich denke und seiner Gewissheit
der selbstverstandliche Grund der Moglichkeit der Negation? Wenn
ja, in welchem Sinne und mit welchem
Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 27
Recht und inwieweit
ist damit das "Nicht" begrundet? : Woher der inneren Moglichkeit.)
Was besagt die Anset-der Ichgewissheit und des ens verum und
certum - Seiend-heit als Vorgestelltheit? Darin liegt zugleich die
weitere Frage:
Wie verhalt sich -
je nach l. oder 2. - das Nicht und die Negativitat (Nichtheit und
das Neinhafte) zum Nichts und wie das Nichts zum Sein?
("Ja" als Zu- und Beistimmung, als Bejahung.)
Die Negativitat
muss wohl nach Hegel im Sinne von 2. begriffen werden.
Das Scheiden ist
die "absolute Macht"1, "der innerste Quell aller Tatigkeit"2;
das Machtige ist das Wirkliche, das Wirkliche aber ist das
absolute Wissen. Das Wissen als Sich-Wissen.
Das Scheiden aber
kann hier nicht gemeint sein als nur gegenstandlicher Unterschied
- dergleichen ist das Abstrakte und Wesenlose -, vielmehr als das
Scheiden als Wesen des absoluten Bewusstseins. Wenn aber dieses
das eigentliche Seiende, dann gehort zum Sein im wesentlichen
Sinne (Seiendheit) das Scheiden - das Nicht. "Nicht" und
Bewusstsein sind gleichursprunglich.
Das Scheiden des
Unterschiedes bringt je den Mangel des Unterschiedenen zur
Erscheinung (des Vorstellens); das Mangeln aber ist je nur der
einseitige Abfall vom absoluten Selbstbesitz des absoluten
Wissens. Dieses ist freilich nur, was es ist, als Wissen, d, h.
als Vollzug der Denk-bewegung.
Das Negative, das
Mangeln des Mangelnden, ist das Bewegende, nicht das blosse Weg,
sondern das Fehlen - Mit-dazu-ge-horen. Das Negative ist daher im
Grunde das Selbst des absoluten Selbstbewusstseins. Das Negative
ist die "Energie" des (absoluten) Denkens?
G.W.F. Hegel,
Wissenschaft der Logik. Herausgegeben von Georg Lassen. Leipzig
1925. Zweiter Teil, IIL Buch, S. 214. Vgl. a.a.O.. Zweiter Teil,
II. Buch, S. 55. Phanomenologie des Geistes. Vorrede, S. 29.
Die Negativitat 28
Das Scheiden ist
die "absolute" "Zerrissenheit", aber sofern
sie ertragen wird und der absolute Geist in ihr sich erhalt
(nicht das unvermittelte und nicht-vermittelnde
Auseinanderwerfen). | Das absolute Wissen ist absolutes
Sicherhalten in der Zerrissen- heit, das ist "Leben".
Negativitat ist daher zugleich Aufhebung. Die absolute
Erzit-terung - das absolute Erbeben von Allem. Der Tod der
"absolute Herr".4
Das Verweilen des
Geistes beim Negativen (nicht das Wegsehen) kehrt das Nichtige in
das "Sein" um.
13. Die
Unterscheidung (das Scheiden)
Die blose
Verschiedenheit - das Eine weg vom Anderen undl
nur weg.
Unterscheiden als Abstosen, Wegfallenlassen, ubergehen.
Der Unterschied -
wobei gerade das "Gerneinsame", Selbe" festgehalten
wird und im Bezug darauf die Unterschiedenen.
Der Einbezug - das
Unterschiedene selbst nur als Ausgang der Aufhebung in die
Zusammengehorigkeit.
Die Entscheidung.
14. Das Negative
Das Negative fur
Hegel der "Unterschied" - ich denke etwas - Denken des
Verstandes - das Scheiden - die absolute Macht' Dieses Negative -
das Bewegende fur Ich und Gegenstand.l
Dieses Negative, d.
h. das Bewusstsein als solches - ganz abgesehen von dem, was
Gegenstand seines Wissens ist: ob das Ob-
* Vgl. a.a.O., S.
148.
' Hegel, Phanomen
ologie des Geistes (ed. Hoffmeister 1927). Vorrede, S.25ff.,S.29f.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 29
ject oder es selbst
als Wissendes (Subjekt) oder ob der Gedanke das sich selbst
wissende Wissen.
Uberall herrscht
von Grund aus das Negative des Unterschie-, Negation - Verneinen -
Ver-nichten - Zugrunderichten -
Zugrundegehen.
Wo liegt also der
Ursprung der Negativitat?
Wie kommt "das
Bewusstsem" in den massgebenden, alles tragenden und
einschliessenden Vorrang?
Ist die Negation,
das Unterscheiden, "fruher" als das Bewusstsein - oder
umgekehrt? Oder beides dasselbe?
Wo also der Grund
des "Nicht"? - Ich denke etwas.
15. Das Sein und
das Nichts
Der Ur-sprung des
Nicht-das Nicht im Ur-sprung.
Das Nicht des
Seienden - das Sein (und nicht das Nichts). Das Nicht des Seins -
das ursprungliche Nichts. Das Nicht "des" Seins - im
Sinne eines Genetivus subjec-tivus. Das Sein selbst ist nichthaft,
hat in sich das Nichts.
Die Unterscheidung
- Scheidung - setzt also, sofern sie sich auf die
Unterscheidbarkeit des Unterscheidbaren grundet, dieses aber das
Sein ist (gleichviel in welcher Auslegung), doch das Nicht und das
Nichts voraus. Aber kann so gegenuber Hegel und der neuzeitlichen
Auslegung des Seins uberhaupt (ens = certum) gesprochen werden?
Die Frage ist nicht, ob dies Unterscheiden auf das Sein gegrundet,
sondern wie dieses selbst begriffen und entworfen sei. Wenn aber
zum Entwurf des Seins die Vorgestelltheit gehort, kommt dann
nicht aus dem Vorstellen (Denken), also Unterscheiden, das
"Nicht" in das Sein?
Woher aber und wie
das Unterscheiden, das Denken - das Wssen des Denkens - als
Vollzug; als Grund des Entwurfs. Woher Entwurf und
Entwurf-Offenheit? Die Negativitat und das Nichts.
30 Die Negativitat
Das Nichts und die
Frage: Waruni ist uberhaupt Seiendes und nicht vielmehr nichts?
Der metaphysische, auf den Vorrang des Seienden gegrundete
Charakter dieser Frage.
Das Nichts und das
Wesen des Grundes. Grund - Wahrheit -Seyn.
Das Nichts und der
"Nihilismus".
16. Hegels Begriff
des "Seins" im engeren Sinne ("Gesichtskreis"
und "Leitfaden")
Das Sein begriffen
als Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit. (Das Hegel sagt:
"Sein ist das unbestimmte Unmittelbare"1, zeigt nur, das
er das Sein und das Seiende im gewohnlichen Sinne uberhaupt -
gemass der metaphysischen Gewohnung, im besonderen aber gemas
der idealistischen Denkart - gleichsetzt.)
Dieser Begriff des
Seins besagt: Der Gesichtskreis der Semsauslegung ist das
Bestimmen und die Vermittlung, genauer das Bestimmen als
Vermitteln, d. h. das Denken im Sinne des unbedingten Denkens.
Sein ist die Gedachtheit dieses Denkens, wobei jetzt Sein im
weiteren Sinne genommen wird; das "Sein" , im engeren
Sinne ist die unbedingte (oder durch und durch bedingte?)
Un-gedachtheit (Gedankenlosigkeit schlechthin!), somit das vollige
Aussetzen des Denkens (das Nichtdenken). Sofern aber der
Grundstellung nach uberhaupt nur Denken als Vorstellen von
"etwas" gelten kann, ist mit dem Aussetzen des Denkens
kein Vor-stellen; vom Denken her gedacht - nur nur von ihm aus -
die reine Leere.
Hegels Begriff des
Seins steht somit unter ganz eigenen Voraus-Setzungen (namlich
des Gesichtskreises der Gedachtheit), | aber diese sind zugleich
diejenigen der abendlandischen Meta-
Hegel, Wissenschaft
der Logik (ed. Lasson 1925). I. Buch, S. 66, vgl. auch
S. 54.
l. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 31
phisik und dieses
wiederum besagt: jene Grundstellung, in der uberhaupt das Verhaltnis
des abendlandischen Menschen zum
Seienden sich halt.
Deshalb muss Hegels
Begriff des Seins sogleich auch verstehbar und nachvollziehbar
werden; was gemass seiner unbedingten Grundstellung abbaumassig
durch das "un" "bestimmt" werden muss. Dieses
hat fur das gewohnliche Meinen des "Seienden", ohne
das dieses gar um seinen Gesichtskreis wissen konnte, den
Chrarakter des geradezu Verstandenen und Verstandlichen (d.h.
Entworfenen uberhaupt), namlich: der reinen
Anwesenheit.
Was daher in der
Besinnung auf Hegels "Begriff" bzw. Unbegriff des
"Seins" herauskommt, das ist nicht Hegels
"Standpunkt", sondern der unsere, gewohnliche, abendlandisch-geschichtliche
(im schlechten Sinne dieses Wortes: Sonderansicht).
Und was wir als
"Voraus-setzung" bezeichnen, bedarf erst der Aufhellung
seines eigenen Wesens; denn die Benennung
"Voraussetzung" ist schon irgendwie "satzmasig",
d.h. sie entspringt der Haltung, alles auf Setzen und Satze und
Denken zuruckzunehmen, zumal alles Erste und Letzte. Aber bei
jenen "Voraussetzungen" handelt es sich um ein Anderes,
dessen Wesen wir begreifen und ursprunglich bestimmen mussen aus
dem, was da angeblich nur gesetzt ist.
Was ist dies? Das last
sich nur ersehen aus der Besinnung auf das Wesen des Denkens (vgl.
dort) und die Art, wie das Denken sich zum Leitfaden und
Leitbezirk der Seinsauslegung macht;
aus der Besinnung
auf das Sein und dessen Auslegbarkeit und deren Grund, d. h. die
Wahrheit des Seins, und auf den Bezug der Wahrheit des Seyns zum
Sein selbst.
Was aber von Hegels
Unbegriff des Seins gilt, gilt wesent-icher, d. h. unbedingt, vom
Sein im weiteren Sinne, von der ab-so uten Idee - d. h. von der
bedingungslos sich selbst sehenden und spiegelnden Gesichtetheit;
das will sagen: von der sich selbst anwesenden Anwesenheit.
32 Die Negativitat
17. Der
"Standpunkt" der Hegeischen Philosophie ist der des
"absoluten Idealismus"
Standpunkt
dasjenige, worin stehend dem Denken sein Zudenkendes (das Sein)
zuganglich, denkbar wird.
Der
"Standpunkt" ist hier das unbedingte Denken; dieses aber
ist das in seiner Gedachtheit zu Denkende selbst.
Der Standpunkt ist
das Absolute selbst; und dieses als dag Ganze des
"Seins" ist das Standpunkt- Unbedurftige, nicht etwa
Standpunktlose. Unbedurftig eines Standpunktes, weil es dasjenige
durch und durch und uberallhin selbst ist, was ihm "zuganglich"
ist. Alles ist ihm schon zugegangen, und es "lebt"
eigentlich nur von der standigen Wiederholung diesey einzigen
gegenwartigen "Vergangenheit", dieses grund-losenj
Apriori.
Das Absolute - als
das absolute Wissen - die absolute Die sich selbst gegenwartige
Gegenwart, die in der Anwesi:
sich spiegelnde
Anwesenheit. (Parmenides: "Kugel"1); und Trismegistus
dicit: Deus est sphaera intelligibilis, cujus centi ubique,
circumferentia vero nusquam.2 Kein "Wogegen" -
"Seiende" aufgelost in die Seiendheit.
"Dieses"
Absolute ist unbedingt "fur sich". Ist es auch bedingt
"an sich"? Wenn ja - wie? (Dadurch, das es nur i
sich" ist - Ab-sage.) Wenn nein - inwiefern nicht? Verkundet
nicht die L/n-bedingtheit die geheimnisvollste Bedingung, i der es
sich nicht zu befreien vermag; das "Sein"; Ab-bau t
Ab-sage.
Die standige Entausserung
in die Gedankenlosigkeit ist Bedingung des unbedingten Werdens
(Ent-werdung zum l:
sen Sein als
Ab-bau).
1 Diels-Kranz, Die
Fragmente der Vorsokratiker, Frgm. B 8, Vers 45 ff. Bd. I.258.
2 Sancti Thomae
Aquinatis Doctoris Angelici Ordinis praedicatorum Opera omnia.
Tomus IX, Parmae 1859. Quaestiones disputatae, Volumen secundum De
veritate, qu. II, art. III, 11.
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 33Die Ab-sage an das
Seiende, d. h. an die Unterscheidung von
Seiendem und Sein,
ist die Bedingung des unbedingten Bestimmens des Seins als
absolute Idee - Gedachtheit.
Bedingend ist hier
die vollstandige Ab-sage an die Grundung , Unterschiedes von
Sein und Seiendem.
Diese
"Ab-sage" nicht eigens vollzogen, sondern nur in der
Weise der uberlieferten Ausserachtlassung endgultig gemacht.
Die denkerische
Voraus-Setzung.
18. Die
Voraus-setzungen (denkerischen) des Hegeischen Denkens
Das absolute Denken
in seiner Los-tosung - Un-bedingtheit.
1. Ab-bau - der
unbedingten Gedachtheit, die bedingungslose, alles Bedingende zum
Verschwinden bringende Entausserung in das Entwerden.
2. Absage - an die
Unterscheidung von Sein und Seiendem, desssen Befragung und Begrundung.
5. Wie ist die
Absage im unbedingten Denken zum Unterschied bei Kant? Inwiefern
ist sie vollstandig und endgultig? Bei Kant der
"ontologische" Unterschied, d. h. die ontologisch
tragende Unterscheidung ausdrucklich gemacht, aber gerade nicht
begrundet (transzendentale Einbildungskraft??). Hegel und der
absolute Idealismus nur die Nutzniesser; was lassen sie fallen?
4. Wie die Absage
den Ab-bau zur Wesensfolge hat. Die Unbedingtheit des Denkens
fordert das "Werden" (als "Ich" denke). Dieses
aber das Ent -werden und so erst die Hegeische Negativitat. Somit
eine auserst bedingte, namlich durch eine ursprunglichere!
5. Welches Nein und
Nicht liegt in diesem Denken selbst?
6.Inwiefern
"setzt" es die Unterscheidung von Sein und Seiendem
voraus?
Die Negativitat 34
7. Ist hier uberhaupt
die Kennzeichnung als "Unterscheidung" angemessen?
"Differenz" - Auseinandertrag - aber so gerade die
Einheit wahrend und entfaltend. Welche Einheit? Wie das Wesen des
Seyns?
19. Die
Voraus-setzungen des Hegeischen Denkens des Seins im engeren und
weiteren Sinne
Diese
"Voraus-setzungen" als denkerische - mit dem Wesen
dieses Denkens gesetzt.
Den Denker durch
die Auseinandersetzung in diese Voraus--setzung eigens setzen. Das
bedeutet nicht Ruckgang auf solches, was der Denker hatte
bedenken mussen, sondern die Versetzung in Jenes, was der Denker
wesensma?ig, gemas seiner Grundstellung, noch nicht bedenken
durfte und konnte, um das zu denken, was er gedacht, und um so zu
denken, wie er gerade gedacht.
"Vor":
Nichts, was im Sinne seines Denkens je nachgeholt werden konnte
und durfte, sondern was noch nicht eingeholt und weit
vorausbestimmt ist.
Die
"Grenze" eines denkerischen Denkens ist niemals der
hin-terlassene Mangel, sondern die voraus erzwungene verborgene
Unentschiedenheit als Notwendigkeit neuer Entscheidungen. In
dieser Grenze liegt die Grosse, das Schaffen des unzuganglichen
Fragwurdigsten und sogar gegen das je eigene Wissen. Die
"Voraussetzungen" nicht das Liegengebliebene, sondern
das Vorausgeworfene. ("Voraus-setzungen" vor allem nicht
"psychologisch-biologisch", sondern im Wesensabgrund des
Denkens des Seyns beschlossen.) Das geschichtlich Wesentliche in
jedem Denken ist dieser verborgene, ihm selbst unzugangliche,
aber deshalb rucksichtslos vollzogene ubergriff in die
Voraus-setzungen. Das Grunden des Fragwurdigen kann freilich nie
Ziel der "Weltanschauung" und des "Glaubens"
sein, wohl aber der Philosophie, die einzig das Sein will. Der
erste Anfang des abendlandischen
I. Das Nichts - der
Abgrund - das Seyn 3
Denkens vollzieht
die weitesten und reichsten und verborgensten Voraus-setzungen,
und gerade darin besteht das Anfangende' nicht etwa darin, das es
vermeintlich mit dem Geringsten und Leeren anhebt.
Die Voraus-setzung,
der Voraus-entwurf des einstmals Einzuholenden ist: die
Grundlosigkeit der unbefragten Wahrheit des
Seyns.
Aber das Einholen
dieser Voraus-setzung, das ausarbeitende Setzen derselben, ist
nicht Vollendung des Anfangs, sondern wieder Anfang und damit
voraus-setzender als der erste: das Seyn selbst als Ab-grund; das
Seiende und seine Erklarbarkeit fortan nicht mehr die Zuflucht,
Schutz und Stutze.
20. Ruckblick
Versuch einer
Auseinandersetzung mit Hegel, der abendlandischen Metaphysik.
Auseinandersetzung - Hegel - abendlandische Metaphysik - und uns
in das Eigene und das je Einzige setzen. Daruber ware noch mehr
zu sagen (vgl. "Die Selbstbesinnung"1), zuvor aber -
eine Strecke weit vollziehen.
Hinsicht (nach
bestimmten Forderungen): die Negativitat.
Das vorige Mal
verdeutlicht an der Unterscheidung von Etwas und Anderem; frei
herausgenommen und behandelt. Das ist moglich, weil Hegel selbst
weiss und es oft sagt, das nicht der Buchstabe seines Textes das
Absolute selbst ist. Negativitat und Anderssein; vgl. dort2.
Negativitat: die
sich unterscheidende Unterschiedenheit - in sich unterschiedene
Unterscheidung. - "Bewusstsein".
"Negation"
immer in diesem Sinne, nicht als "Verneinung", sondern
"Synthesis" - Elevation, sondern Be-stimmen.
Anm. d. Hg.: In den
Unterlagen zur "Negativitat" nicht vorhanden. Vgl. oben
Nr. I, 5, S. 18.
36 Die Negativitat
21. Die
geschichtliche Auseinandersetzung und der Ruckgang auf
"Voraussetzungen"
"Voraus-setzung"
-von wo aus gesprochen? "Praemissen", Vorausgeschicktes
- fur das rechnende Denken. Oberste Satze, die Grund-satze sein
konnen, aber nicht mussen; selbst dann aber "Satze"?
In welchem Sinne stets ein Nachtrag?
Das Voraus - wie
und wohin und wann? Inwiefern das "einfache" Denken, ja
jedes Verhalten ihm selbst voraus ist, sofern es Offenes und
Offenheit in Anspruch nimmt. Was aber ist dieses?
Voraus-nahme und
Voraus-habe - und das "Als". Voraus--nahme und
Voraus-habe als Innestehen im Offenen. Das Offene des Da
(Da-heit). Voraus-setzen als unerkanntes Wesensmoment des
Da-seins.
Da-sein aber nichts
Vorhandenes, bloses 'unoxe^evov, das einfach durch Zuruck-fragen
vorhandlich ware, sondern:
Menschwesen
verwandelnde Er-springung, und diese nur aus und im Fragen des
Fragwurdigsten.
II. DER
FRAGEBEREICH DER NEGATIVITAT
1. Zur
Begriffssprache
"Negativitat"
fur Hegel: der in sich fraglose dreifache Unterschied des
unmittelbaren, mittelbaren, unbedingten Bewusstseins (Ich stelle
vor - etwas).
"Negativitat"
fur uns der Name eines Fragebereichs: nach der herkommlichen
Meinung, aber schon im Vorblick auf das andere Fragen gegliedert,
der Zusammenhang von Neinsagen, Verneinung, Vemeintheit, Nicht,
Nichts und Nichtigkeit. (Wie der "Wert"gedanke, selbst
im Wesen bodenlos, sich noch einmischt in die Frage nach dem
Nichts.)
Das Nichts als der
Ab-grund, das Seyn selbst. Aber hier das Seyn nicht metaphysisch,
auf das Seiende zu und von ihm her, sondern aus seiner Wahrheit.
Allein, ist nicht
die Bestimmung Ab-grund ganz vom Seienden her? Nein, nur im
Anschein der ersten Hinleitung.
2. Die Negativitat
l. Hegels Negativitat
ist fur ihn keine Frage; der "Ursprung", und das heisst
zugleich: der Wesensbestand dessen, was dieser Name umschliest,
wird nicht fragwurdig und nicht fragbar, weil die Negativitat
mit dem vorausgesetzten "Bezirk" seines Fragens schon
gesetzt ist - gesetzt mit dem Denken, das hier besagt: "Ich
stelle etwas vor im allgemeinen" - in seinem
"Begriff", in seiner Gedachtheit, als der Gedanke.
Worauf alles einzig ankommt, ist, die Gedachtheit unbedingt zu
denken und so-
Die Negativitat 38
mit das Denken
selbst. Dieses hinterlasst damit auch nichts, was in seinem Sinne
unbewaltigt, unentschieden ware; das unbedingte Denken ist die
Fraglosigkeit selbst.
2. Abgesehen von
der Fraglosigkeit der Hegeischen Negativitat ist aber uberhaupt
und durchgangig das Negative solches, was einer Befragung nicht
bedurftig werden kann; denn das Negative, Verneinte und
Verneinende gehort zur Verneinung. Nein-sagen, Ja-sagen sind
Urformen des urteilenden Denkens. Am Verneinten als solchen last
sich dann die Verneintheit "abstrahieren" und als das
"Nicht" benennen; und wendet man dieses Nicht, d.h. die
vorstellende Verneinung, an auf alles Verneinbare uberhaupt - d.
h. auf das zuerst Bejahte, das Seiende im Ganzen -, dann ergibt
sich als das Nicht des Seienden im Ganzen das Nichts; und dieses
ist eben Nichts - wobei sich uberhaupt aufzuhalten schon die grobste
Missdeutung ist. Denn das Nichts ist doch das schlechthin
"Nichtige", das noch weiter denken und durchdenken zu
wollen die Vernichtung, ja Selbstvernichtung des Denkens bedeutet.
Aus der Selbstverstandlichkeit des Denkens und das es immer
"etwas" zu denken haben muss, um es selbst zu sein,
ergibt sich die vollige Fraglosigkeit der Negativitat, wobei
jetzt "Negativitat" besagt: jener selbstverstandliche
Zusammenhang zwischen Nein, Verneinung, Verneintheit, Nicht,
Nichts und Nichtigkeit.
5. Das Denken aber
ist selbstverstandlich, weil es die Wesensauszeichnung des
Menschen verburgt und der Mensch - wir selbst - das denkende Tier
(animal rationale).2 Man kann dieses Denken dieses jederzeit
irgendwo antreffbaren Tieres naher in seinen Formen und Weisen
beschreiben und aufzeichnen und
Bewusstsein als
Selbstbewusstsein und die dem sich eroffnende Unendlichkeit. Vgl.
Kant, Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik
seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat?
(1791). WW Bd. XX (Akademieausgabe), S. 270.
2 Vgl. Kant uber
den Unterschied zu allem "Vieh". Kant, Preisschrift uber
die Fortschritte der Metaphysik. (S. oben Anm. l.) Ibid.
("... die ganzliche Absonderung von allem Vieh").
II. Der
Fragebereich der Negativitat 39
dabei verschiedene
Ansichten entwickeln und unterschiedliche Grade der Durcharbeitung
erreichen. Dieses bleibt jedoch selbst in seiner hochsten
metaphysischen Systematik immer nur die nachtragliche Erorterung
dessen, was in seinem wesentlichen Bestand klar und bekannt ist.
Deshalb entspricht es der Ordnung, wenn die Negativitat als
fraglos gilt.
4. Wozu also und
wodurch getrieben versuchen wir bei diesem Fraglosen zu verweilen,
um doch noch eine Frage herauszuzaubern? Weil das Fraglose und
gerade es noch zweideutig und deshalb fragwurdig sein kann.
Das Fraglose ist
einmal das Unfragwurdige, was durchaus entschieden keinen moglichen
Anhalt einer Befragung zu bieten vermag. Das Fraglose ist zum
anderen das im Grunde unentschiedene, aber in der Besinnungsflucht
fur Entschiedenes Ausgegebene. Die Besinnungsflucht wiederum kann
gleichlaufen mit einer Unwissenheit hinsichtlich der
Entscheidungen, kann aber auch bereits die Folge eines gewollten
Ausweichens vor Entscheidungen sein, ja es kann in ihr beides
zusammenkommen. Dann hat das Fraglose jene fast unangreifbare
Gestalt des durchaus Selbstverstandlichen.
5. Die Negativitat
ist sowohl im System der Vollendung der abendlandischen
Metaphysik fraglos, als auch uberhaupt innerhalb der Geschichte
der Metaphysik. Die Fraglosigkeit der Negativitat zieht sich zuruck
auf die Fraglosigkeit des Denkens als des Grundvermogens des
Menschen, dessen Wesenssetzung zuvor ausser Frage steht. Was
bedeutet und umschliest dieses Fraglose im Ganzen?
Das Denken
"sagt" uber das Seiende, was es je und wie es jeweils
ist. Das Denken unterhalt den massgebenden Bezug zum Sein des
Seienden. Das Denken gibt daher auch und zuvor schon die Anweisung
auf den Gesichtskreis, innerhalb dessen das Sein als ein solches
sich bestimmt. Das Denken ist somit nicht nur Vollzugsweise der
vorstellenden Bestimmung des jeweilig seienden, sondern es ist
zugleich und vor allem die Gesichtskreisvorgabe fur die
Wesensfestsetzung des Seins. Sein ist die
40 Die Negativitat
fur das Vernehmen
und im Vernehmen unverborgene Anwesenheit und Bestandigkeit.
Sofern sich das Vernehmen (voug) zum Denken ratio, Vernunft)
bestimmt, ist Sein die Gedachtheit, - eine Bestimmung des Seins,
die sowohl der "idealistischen" als auch der
"realistischen" Auslegung des Bezugs zum Seienden im
voraus zugrundeliegt.'' Die Selbstverstandlichkeit des Denkens
bedeutet daher im Grunde die Fraglosigkeit dessen, dass das Denken
der mass- und gesichtskreisgebende Bezug zum Sein ist.
Weil nun das Denken
das Grundvermogen des Menschen ausmacht, das Wesen des Menschen
aber in eins mit dem Gesagten fur selbstverstandlich gilt,
besagt die Selbstverstandlichkeit der Negativitat und somit die
des Denkens nichts Geringeres als die Selbstverstandlichkeit des
Verhaltnisses "zwischen" Mensch und Seyn. Daraus
entspringt das Seltsame, was sich durch die ganze Geschichte der
Metaphysik in den verschiedensten Gestalten hindurchzieht: dass
zwar das Verhaltnis des Menschen zum Seienden, das er selbst
nicht ist, in vielfacher Weise bezweifelt, befragt, gedeutet und
begrundet wird und dass gleichwohl allem zuvor das Verhaltnis
des Menschen zum Sein aussser jeder Frage steht und dies so
"entschieden", dass es gar nicht eigens bedacht, sondern
als das Selbstverstandlichste des Selbstverstandlichen in
Anspruch genommen wird. Was man "Ontologie" zu nennen
pflegt, ist nur die gelehrtenhafte Besie-gelung dieser Selbstverstandlichkeit.
6. Die Fraglichkeit
des Denkens in seinem Wesen und in seiner Rolle als Anweisung des
Gesichtskreises der Seinsauslegung umschliesst aber noch ein
anderes Fragloses. Weil das Denken zunachst als unmittelbares
Bedenken des jeweilig eroffneten und begegnenden Seienden
zugleich der Leitfaden der Bestimmung des Seins ist, kommt das,
was wir den Unterschied zwischen dem Seienden und dem Sein nennen,
gar nicht eigens als Unterschied in den Blick; und deshalb bleibt
voll-
Vgl. Kanis
"Technik" der "Natur". [Kant, Kritik der
Urteilskraft. § 25.]
II. Der
Fragebereich der Negativitat 41
ends jede Frage
nach dem Wesen und dem Grund dieses Unterschiedes im Bereich des vollig
Gleichgultigen und Unbekannten.
7. Was bedeutet
daher die metaphysische Fraglosigkeit der
Negativitat als
Fraglosigkeit des Wesens und der Rolle des Denkens? Dass
unentschieden geblieben: l. das Verhaltnis des Menschen zum Sein;
2. der Unterschied zwischen dem Sein und dem Seienden. Dieses
gedoppelt Unterschiedene gehort in die Einheit zusammen, in die
Einheit der einzigen Frage: Woraus, wenn niemals aus dem Seienden,
jemals das Sein seine Wahrheit habe und worein diese zu grunden
sei. Wie es mit dem Seyn stehe, wenn es nicht ein Seiendes und
nicht das Seiendste, aber auch kein blosser Nachtrag zum Seienden
"sei".
Nach der Negativitat
als der "Energie" des unbedingten metaphysischen Denkens
fragen, heisst, dieses Unentschiedene zur Entscheidung stellen.
Diese Entscheidung erst einmal aufzustellen, sieht- und erfahrbar,
d. h. zur Not zu machen, ist der einzige Gedanke eines Denkens,
das die Seinsfrage fragt. Im Wesen einer Aufstellung dieser
Entscheidung liegt, dass sie wie keine vor ihr zu einer
geschichtlichen (nicht historischen) Auseinandersetzung werden,
zugleich aber den Sprung in das Ungegrundete, ja vielleicht Abgrundige
vollzogen haben muss. Daher kann dieses Denken - noch weniger als
irgendeine wesentliche Metaphysik - nicht mundgerecht und nie
lehrmassig eingeloffelt werden, wie Erkenntnisse einer
Wissenschaft. Moglich, aber auch in gewissen Grenzen notig, ist
die standige und lange Vorbereitung zum Sprung in das Fragen
jenes Unentschiedenen; dabei tragt schon solche Vorbereitung
leicht die Gefahr in sich, uber den Sprung zu schwatzen statt zu
springen.
44 Die Negativitat
Der Unterschied
setzt (vgl. fruhere uberlegungen) die Unterschiedenen gleich,
macht das Sein zu "etwas" Seiendem. Und wenn nicht - was
heisst dann Unter-schied?
Das Seyn - das
"Inzwischen" und "das Seiende"??
(kein Platonismus;
keine Umkehrung desselben, keine Umkehrung der Metaphysik, sondern
Ver--nichtung)
Einzig - Einmalig
der Irrtum? des Allzu-Seienden, d. h. Seinsverlassenen und so
gerade Wirkenden;
oder aber - ganz
anders:
Wurdigung der
Verweigerung als Streit von Welt und Erde.
Unterscheiden:
1. auseinander
tragen? oder nur nachtraglich feststellen, und zwar den Durchgang
und ubergang uber??, "das Zwischen"
2. das Gleichmachen
5. das Absehen und
Hinwegsehen (besinnungslos)
IV. LICHTUNG -
ABGRUND - NICHTS
l. Die Lichtung
(das Seyn)
Aus dem
"Seienden" und dem vorstellenden Verhalten zu ihm
herkommend und scheinbar nur zergliedernd und dieses nach schon
gewohnten Hinsichten und Auslegungen - sagen wir z. B. Vor-stellen
ist Vorstellen von einem "Ding" (etwas) "als"
etwas im "Lichte" von Seiendheit (z. B. Gebrauchsding -
oder "Tier", "Lebewesen", "Zeug",
"Werk").
Dieses Vorstellen
von etwas als etwas im Lichte von ... ist bereits ein Gefuge von
jenem, was in sich einig das "von", das "als",
und das "im Lichte" fugbar macht; es ist die
"Lichtung" des Gelichteten, darin das Vorstellende (der
Mensch) steht, so zwar, dass dieses "Stehen" zuvor schon
uberhaupt das Wesen des Menschen bestimmt und die
Wesenskennzeichnung leiten und tragen muss. Nicht mehr: der Mensch
und dazu und dabei dieses Stehen, sondern dieses und das Wesen des
Menschen als Frage! Instandlich in der Lichtung - ist der Mensch
im Grunde des Da-seins1. Instandigkeit aber ursprunglich:
Stimmung.
Diese Lichtung aber
ist nicht erklarbar aus Seiendem, sondern sie ist das
"Zwischen" und Inzwischen (im zeit-raumlichen Sinne des
ursprunglichen Zeit-Raumes). Das "von",
"als", das "im Lichte" sind nicht ein
"Seiendes", sind Nichts und doch nicht nichtig, im
Gegenteil: "wichtig" schlechthin, von schwerstem
Gewicht, das eigentliche Schwergewicht und das Einzige, worin
alles Seiende (und zwar nicht nur als Seiendheit, Gegenstandlichkeit,
Zustandlichkeit) als Seiendes "ist".
Die Lichtung ist
der Ab-grund als Grund, das Nichtende zu allem Seienden und so
Gewichtigste und damit der nicht "vor-
Vgl. Da-sein [s.
oben I, 2, S. 15].
Die Negativitat 46
handene", nie
vorfindliche, sondern sich in der Nichtung als Lichtung
verweigernde "Grund" - der tragend-stiftend
Entscheidende, Er-eignende - das Er-eignis.
Die Nichtung: die
Einraumung der Reinheit der Not der Grundung (Ver-sagung des
Grundes).
Die Lichtung: der
uberallhin offene Ab-grund l. des /"zu."/ Seiendem,
auch /zu/ uns selbst und unseresgleichen, 2. des "als",
was jedes zuletzt und d. h. hier zuerst das^lfe des Seyns ist.
Der Ab-grund: das
Nichts, das Ab-grundigste - das Seyn selbst; nicht weil dieses
das Leerste und Allgemeinste, Verblas-senste, letzter Rauch, -
sondern das Reichste, Einzige, die Mitte, die nicht vermittelt und
daher nie zuruckzunehmen.
2. Das Sein: der
Ab-grund
Hellsten Rlickes
"schon" zu ersehen in der Erfahrung des Menschen aus
seiner Zugewiesenheit zum "Sein".
Dabei dieses noch
als Seiendheit, etwa im Sinne des transzendentalen Apriori, und
all das innerhalb des Verhaltens des "Erkennens", des
"blossen" Vorstellens von etwas ab etwas aus dem
Hinblick auf... Sein.
Hier steht der
Mensch (?) im Offenen zu etwas, und dieses im Freien des
"als"; und das Ganze in der Eroffnung des Seyns, das
selbst nicht "Gegenstand", sondern es "ist"
gerade schon dieses alles, namlich dieses Offene, Ab-grundige
und doch Grundende. Der Grund - als Ab-grund (und zugleich
Ver-wei-gerung!). Gefugt als Da und Daheit in der Instandigkeit
des Menschen, welche Instandigkeit nicht Eigenschaft
"am" Menschen, sondern Wesensgrund fur ihn (genitivus
essentialis).
47
IV. Lichtung -
Abgrund - Nichts
3. Seyn und Nichts
Hegels Negativitat
ist keine, weil sie mit dem Nicht und Nichten nie ernst macht, -
das Nicht schon in das "Ja" aufgehoben hat.
Das Gegenstandliche
- Zustandliche in der Seiendheit des unbedingten Denkens.
Das Nichten:
Ver-sagen des "Grundes", Ab-grund.
Das Seyn
"ist" das "Nichts", - nicht weil sie
gleichwenig unbestimmt und unvermittelt, sondern
"grundsverschieden das Eine sind! Jenes, was erst
"Ent-scheidung" eroffnet
Die
"Endlichkeit" des Seins - ein sehr missdeutbarer und zunachst
nur ab-setzender Ausdruck (weder "endlich" noch
unendlich). Gemeint ist die Wesenszugehorigkeit des
"Nich-tens".
4. Ab-grund und
Nichts und Nein
Der Ab-grund ist
der Grund der Not des Nichts und der Notwendigkeit der Nichtung,
und diese ermoglicht, in weiter Folge freilich, die
Unterscheidung.
Das Nichts der
Ab-grund: Versagung des Grundes, jeder Stutze und jedes Schutzes
im Seienden; doch diese Versagung ist die hochste Gewahrung der
Not der Entscheidung und Unterscheidung.
Das Nichts ist
niemals das "Nichtige" im Sinne des bloss Unvorhandenen,
Unwirksamen, Unwertigen, Un-seienden, sondern Wesung des Seyns
selbst als des ab-grundig-abgrundhaft Nichtenden.
Der Ab-grund aber
wesentlich als das Inzwischen der Entscheidungsnot fur das
Gotthafte und das Menschentum - und damit fur Da-sein,
In-der-Welt-sein, Welt und Erde, Streit.
Das Da-sein als das
"Ja" (nicht Bei- und Zustimmung zum Seienden) zur
Wahrheit des Seyns, das Ja zur Nichtung und zur Notwendigkeit des
"Nein".
48 Die Negativitat
Das
"Nein" ist das Ja zur Nichtung. Das Ja zur Nichtung als
Ja zum Ab-grund ist die Erfragung des Frag-wurdigsten. Die Wachterschaft
der Wahrheit des Seyns ist das Fragertum als Er-wurdigung des
Frag-wurdigsten.
Was aber ist die
Unterscheidung von Sein und Seiendem? Ist jetzt noch diese
Kennzeichnung haltbar und als Anweisung des Fragens moglich?
5. Seyn und Nichts
Woher das
"Nicht" und Nichthafte in allen seinen Gestalten und Statten?
Wie aber verstehen wir das "Woher"? Das Warum - als
weshalb und in welcher Weise! Wir meinen den "Grund"!
Allein - wie fragen
wir da, wenn wir nach dem Grund fragen? Ist er dem, nach dessen
Grund wir fragen, dem "Nicht", uberlegen? Oder? Gehoren
beide zusammen und wie?
Der Ab-grund: das
Seyn. Seyn als Ab-grund- das Nichts und der Grund zumal. Das
Nichts ist das ab-grundig Verschiedene vom Seyn als Nichtung und
deshalb? - seines Wesens. Der Ab-grund ist nichthafter Grund, kein
stutzend-schutzend Seiendes, und deshalb vorn Wesen des Seyns.
6. Die
"Negativitat"
Das Seyn als
Abgrund ist das Nichts. Das Nichts ist das ausserste Gegenteil zu
allem Nichtigen. Das Nichts nichtet und ermoglicht den Entwurf
des Nicht; - dieses fassbar als Verneintheit, und diese das
Vorstellbare der Verneinung, und diese?
Was ist jetzt der
Mensch? - Da-sein.
Im Vorigen keine
Umkehrung des Fruheren, weil das Sein wesentlich anders, nicht
mehr als Seiendheit erfragt.
IV. Lichtung -
Abgrund - Nichts 49
7. Das Nichts
Das Nichts ist in
aller Metaphysik, fur die das Sein als Seiendheit schon der
Nachtrag zum Seienden, nur noch ein Nachtrag um Sein Das will
sagen: Je nachdem die Seiendheit begriffen ^rd, bestimmt sich das
Nichts. (Vgl. die Tafel des Nichts bei Kant, Kritik der reinen
Vernunft A 290ff., B 546 ff.)
V. HEGEL
1. Wesentliches bezuglich
der Begriffssprache
Was wir Sein
nennen, gemass dem Anfang der abendlandischen Philosophie, das
heisst fur Hegel Wirklichkeit; und diese Benennung ist nicht zufallig,
sondern bei Aristoteles am ersten Ende des Anfangs vorbestimmt.
Was Hegel
"Sein" (und Wesen) nennt, bzw. wir "Gegenstandlichkeit":
Auch diese Bezeichnung Hegels nicht zufallig, sondern bestimmt
durch die uberfuhrung der Metaphysik und durch die Kantische Pragung
derselben. Denn jetzt hat das Sein des Seienden (Wesen) als
Kategorie die Bestimmung der Objektivitat: "Gegenstandlichkeit".
Sein und Werden.
Sein a/s Werden; vgl. Nietzsche. Was Hegel das Sein nennt, ist fur
ihn nur eine einseitige Bestimmung des Seins in unserem und (der
Wirklichkeit) in seinem Sinne.
Warum aber das
eigentlich Seiende das Wirkliche (das Mogliche und das
Notwendige)? Weil - griechisch - darin die volle Anwesung des
Anwesenden, die vollendete Anwesenheit.
Die Umdeutung des
"Wirklichen" : Wirksame, Erfolge.
Wenn daher Hegel
das "Nichts" mit dem "Sein" in seinem Sinne
zusammenbringt, dann scheint er das Nichts nur
"abstrakt" einseitig zu fassen, und nicht und nicht
einmal als das Nichts der Wirklichkeit. Oder doch? Weil eben das
Sein selbst nichts anderes ist als das Nichts der Wirklichkeit,
deshalb ist das Nichts im absoluten Sinne mit dem "Sein"
dasselbe - und es besagt das fur die "Wirklichkeit"
(das Seyn).
V. Hegel 51
Sein in unserer
Redeweise ("Sein und Zeit"):
1. Seiendheit , und
dieses in seiner ganzen Geschichte bis zur
"Wirklichkeit" Hegels und dem "Willen zur
Macht" ("Leben") Nietzsches.
2. Seyn - als Grund
und Zulassung der Seiendheit, die anfangliche tptatc,.
5. Nur fur (l.)
gebraucht. (Sein und Seyn.)
Entsprechend die
Seinsfrage: l. als Frage nach der Seiendheit, 2. als Frage nach
der Wahrheit des Seyns.
"Sein" fur
Hegel: Seiendheit im Sinne des unmittelbaren Vor-stellens des
Gegenstandes in seiner Gegenstandlichkeit als Vor-gestelltheit.
Gegenstandlichkeit.
"Sein" fur
Nietzsche unterschieden zum "Werden"; auch Hegel!?
2. Hegel
l. Thesis -
Antithesis - Syn-thesis: Urteil - ich verbinde.
2. Bewusssstsein -
Selbstbewusstsein - Vernunft (Objektivitat;
"das
Kategoriale" - Gegenstandlichkeit); Einheit und Seiendheit -
Da.
3. Unmittelbarkeit
- Vermittelung - "Aufhebung"; (Verbinden?) Koppelung von
l. und 2. (Descartes) und Absolutheit.
Ursprung des
"Nicht" aus dem "Absoluten", dieses als
Bewusstsein (Denken). Einheit als Sammlung in die Gegenwart des
Bestandigsten.
Denken als
unbedingter Wechselbezug von Subjekt und Objekt. Kategorien zumal
objektiv und subjektiv.
Die Betrachtung der
Geschichte - "dreifach": l. Der absolute Gedanke. 2. Das
Bei-sich-selbst-sein als Freiheit; wissen, was er ist und sich als
solchen darstellen. 3. "Sein" (als Freiheit) ist
"Wissen" - unbedingtes (nicht "Wissen" zum
Sein gehorig!).
Absoluter Begriff =
Freiheit.
Bewusst-sem l
Da-sein.
Die Negativitat 52
Die Negativitat 3.
"Werden"
"Werden"
- (d. h. etwas wird, was es "ist" - geht in sich, seinen
Grund zuruck = zu Grunde gehen) zu sich selbst, seinem Wesen
kommen; bestimmendes Vermitteln.
Hegel fangt mit
dem Werden des Werdenden, d.h. Absoluten, an; innerhalb dieses
"Anfangs" beginnt er mit dem "Sein", das als
Seiendheit das Nichts des Seienden ist, d. h. des absolut
Wirklichen und seiner Wirklichkeit.
Anfang - wovon
etwas ausgeht als dem, worin es bleibt und worein es, ausgehend,
sich grundet.
Beginn - womit das
Ausgehen anhebt und was als solches verschwindet, fort- und
weggesetzt, ubergangen wird und d. h. zugleich, aufgehoben wird.
Hegel fangt mit
dem Anfang an, welcher Anfang die absolute Fasssung des ego cogito
ist - eine eigentlich neuzeitliche Auslegung des "Sein"
(Wirklichkeit) als Bewusst-sein, d. h. sich etwas, eines
Gegenstandes, bewusst sein, als Bewusstes fur sich haben.
4. Das reine Denken
des Denkens
Das reine Denken
des Denkens und seines Gedachten in der Unmittelbarkeit. Dass und
wie Denken als Leitfaden und Entwurfsgrund der Wahrheit des Seins.
Dieses ein Denken
aus dem absoluten Denken. (Vgl. Sein und Werden, Sein und
Negativitat, Sein und Vernunft.)
V. Hegel 5.
"Der hohere Standpunkt" 53
"Der hohere
Standpunkt, den das Selbstbewusstsein des Geistes ... uber sich
erreicht hat,.. ."1 (seit der "Kritik der reinen
Vernunft", durch Fichte, Schelling, Hegels "Phanomenologie
des Geistes"). Das Sich als solches Wissen -
Selbstbewusstsein als Wissen des Bewusstseins des Gegenstandes.
Das "Sichwissen" die "Grundbestimmung" der
"Wirklichkeit" des Geistes.
Die vormalige
Metaphysik gewandelt. Metaphysik jetzt: die "Beschaftigung"
des (absoluten) Geistes "mit seinem reinen Wesen".2
"Die substantielle Form des Geistes hat sich
umgestaltet."5 Die fruhere metaphysica generalis wird jetzt
die "eigentliche Metaphysik"* (bzw. die Spitze der
eigentlichen Metaphysik wird zur absoluten metaphysica generalis),
weil in der Wissenschaft der Logik der absolute Geist,
"Gott", schlechthin bei sich selbst ist. Vormals war die
Theologie die hochste Stufe der eigentlichen Metaphysik und die
metaphysica generalis nur ein leerer Vorhof.
"Die Ungeduld
der einfallenden Reflexion."5 Wenn der Einfall nicht Einfalt,
- wenn das Ganze als solches angefallen in seinem ihm ungefragten
und untragbaren Grunde.
Bis zur Vollendung
des deutschen Idealismus bleibt die Philosophie noch gestutzt und
geschutzt durch die Fraglosigkeit ihrer Grundstellung
(Gewissheit) und durch die allgemeine Zielsetzung und Deutung des
Seienden im Ganzen (Christlichkeit). Seitdem bereitet sich,
wenngleich alles noch trotz mehrfacher Abwandlungen beim alten
bleibt, eine Wandlung vor - unge-stutzt und ungeschutzt. Eine
andere Geschichtlichkeit des Den-
G.W.F. Hegel,
Wissenschaft der Logik. Herausgegeben von Georg Lasson. Leipzig
1923. Vorrede zur ersten Ausgabe, S. 5. Vgl. ibid. 5 a.a.O..S. 5.
4 Ibid. a.a.O., Vorrede zur zweiten Ausgabe, S. 21.
54 Die Negativitat
kens beginnt; der
erste, noch ubergangliche Denker ist Nietzsche. Dazwischen
Gelehrsamkeit, Historismus.
6. Hegels
"Wirkung"
Hegel und der
deutsche Idealismus uberhaupt ist in seiner eigentlichen
Systematik wirkungslos geblieben, - weil Unbegriffen und uberdies
selbst sich als Vollendung setzend; also nur eine historische
Merkwurdigkeit, um die sich das sogenannte "Leben" nie
gekummert hat und kummern wird. Ohne "Wirkung".
Aber was heisst
"Wirkung"? Wie "wirkt" eine Philosophie? Ob
das uberhaupt wesentlich?
1. Die Wirkung
durch Auslosung der Gegnerschaft und d.h. der Verneinung der
Philosophie, des Sichberufens auf das Gegenteil: So auch
Schopenhauer - "Leben" - Nietzsche. Die Tatsache, der
Fortschritt, das Greifbare, unmittelbar Bestatigende.
2. Dass dabei
Begriffe und Vorstellungsweisen ubernommen und abgewandelt
werden, erst eine Folge.
5. Die
Hervorbringung der Schule und "Philologie" und
Gelehrsamkeit der betreffenden Philosophie ist das Gleichgultige.
"Hegelianismus" und dergleichen.
Die ungewohnliche
Fruchtbarkeit des Hegeischen Standpunktes und Prinzips und
zugleich die vollstandige Langweiligkeit desselben; - dass nichts
mehr geschieht und geschehen kann.
Hegel ist im Recht,
wenn er das "Seiende" und Wirkliche des unmittelbaren
(lebensnahen) Vor- und Herstellens fur das "Abstrakte"
erklart (das Einseitige, Abgezogene, Unwahre). Aber sein
Allseitiges, Beigebrachtes, Wahres ist doch "nur" die
(scheinbar) unbedingte Rechtfertigung des Abstrakten, - das
Abstrakteste, weil die Wahrheit des Seyns das schlechthin
Ungefragte und Untragbare.
Wo hat Hegels
"Negativitat" ihren Ursprung? Zeigt Hegel diesen
Ursprung und wie? Die "Negativitat" und das
"Denken" als
V. Hegel 5
Leitfaden der
metaphysischen Seinsauslegung. Das (it] ov1 - die
"Privation" - der Gegensatz - das Nicht.
Die Fulle und
Ganzheit des Absoluten als Bedingung des Ein-seuigen. Woher die
Ein-seitigkeit? Ein-seitigkeit und "Subjektivitat".
Subjektivitat und Denken. Inwiefern die Subjektivitat
mehr-seifig ist? Die "Seiten" (Richtungen) des
Vor-stel-lens (Ding, Ich, Ich-Ding-Bezug selbst; weshalb nicht ins
Endlose?).
7. Metaphysik
Das Sein als
Seiendheit (Vor-gestelltheit).
Die Seiendheit als
Ausgesagtsein (das Kategoriale); vgl. das Sein - eingefasst im
Zuspruch (das Kategoriale).
Die Kategorien -
sowohl "objektiv" als auch "subjektiv" - als
"objektiv" oder "subjektiv" - absolut.
Das
"Subjektive" als Gedachtheit des endlichen ego oder des
absoluten (subjektiv-objektiven) Geistes.
Die Gedachtheit als
solche des "Denkens" im Dienste "des Lebens"
(Nietzsche).
Denken als
Vollzugsform - Denken als Leitfaden; vgl. "Sein und
Zeit". Die Einheit beider.
Der erste Anfang
und sein Ende. Hegel - Nietzsche.
[Handschriftliche
Beilage aus der uberarbeitung 1941:] Das ;
inwiefern die
Negativitat gesehen und wie diese Sicht mit der zusammenhangt.
Die "Entdeckung" des Privativen . Geschichtlich:
Hera-klit und "Parmenides".
Wenn Platon das
Nicht-seiende als Seiendes erkennt und so das Sein reicher laut,
dann bleibt immer noch die entscheidende Frage, wie er das Sein
begreift alles loget; ob nicht so trotz allern Erkennen des
Privativen das Sein und erst seht das "Negative"
verkannt wird.
Die Negativitat 56
8. Zu Hegel
l. Nicht etwa einen
"noch hoheren Standpunkt" als Hegel, d. h. einen
solchen des Geistes und damit der neuzeitlichen Metaphysik.
2. uberhaupt
keinen solchen des Geistes, sondern des Da--seins, - und d.h.:
5. uberhaupt
keinen metaphysischen bzw. Seiendheit des Seienden, sondern des
Seyns; "Metaphysik" im weitesten und zugleich
eigentlichen Sinn.
4. Ob dieses uberhaupt
ein "Standpunkt", - vielmehr ein ubergang als
(Er-stehen) Entgegengang zum (Ereignis).
Die
Auseinandersetzung darf nie zu einer bloss "einfallenden
Reflexion"1 werden; d.h. der Standpunkt muss, als
metaphysische Grundstellung begriffen, aus dem Grunde ihres
eigenen Fragens verfolgt werden, und d. h., die Grundstellung als
metaphysische muss zugleich zuruckgenommen werden aus der
Leitfrage (Entfaltung im "System der Wissenschaft"2) in
die Grundfrage.
9. "Der
logische Anfang" ("das reine Sein")
Dieser soll
"im Element des frei fur sich seienden Denkens, im reinen
Wissen gemacht werden",) Reines Wissen - Unmittelbarkeit. Das
"reine Wissen" ist "die letzte absolute Wahrheit
des Bewusstseins"2 - reines Wissen als
"Bewusstsein" (und als Wahrheit) - Vermittlung.
Hegel fangt an
"mit" dem "absoluten Wissen" {auch in der
"Phanomenologie des Geistes"). Was heisst hier Anfang
(des
' G. W. P. Hegel,
Wissenschaft der Logik (ed. Lasson, 1925). Vorrede zur zweiten
Ausgabe, S. 21. 2 a. a. 0,, Vorrede zur ersten Ausgabe, S. 7.
' G.W.F. Hegel,
Wissenschaft der Logik (ed. Lasson, 1925). L Buch, S. 55. 2 Ibid.
V. Hegel 57
Denkens)? Nicht
Beginn - Ausgang hier Fortgang -, sondern woran sich das Denken halt,
worin es im voraus sich aufgefangen hat. Weshalb aber dieser
Auffang notwendig.
Das reine Wissen -
"die zur Wahrheit gewordene Gewissheit"5. Gewissheit:
das Sich-selbst-Wissen als Wissen, Selbst der Gegenstand und
Gegenstandlichkeit zu sein. "Das Wissen" gleichsani
verschwunden - "das reine Sein"4; das
Zusammen-eegangensein5 als solches. Wahrheit hier als
transzendentale genommen!
Das reine Wissen
hat sich alles "Anderen", was nicht es selbst sein konnte,
entaussert, d. h. es gibt kein Anderes, keinen Unterschied zum
Anderen - "das Unterschiedslose"6. "Das Leere"
ist also schlechthin der Anfang der Philosophie.
Inwiefern liegt es
in der Natur des Anfangs (des Denkens) (als des Denkens des
Denkens), dass er das Sein sei?
Anfang und
Vollendung - Unbedingtheit des Denkens.
3 Ibid.
4 a.a.O.,8.54
5 Ibid.
6 Ibid.
7 a.a.O.,8.66.
60 Die Negativitat
Beilage zum
Titelblatt
[Anm. d. Hg.: Die
folgenden Verweise sind eine handschriftliche Notiz Heideggers auf
dem Titelblatt der Abschrift Fritz Heideggers; vgl. Nachwort der
Herausgeberin.]
- Vgl. Besinnung
Typoskript S. 451 ff.1
- Vgl. Die
Metaphysik als Geschichte des Seyns.2
- Vgl. uberwindung
der Metaphysik und Fortsetzung I.3
- Vgl. Geschichte
des Seyns und Fortsetzung.4
' Unveroffentlichte
Abhandlung aus der III. Abteilung der Gesamtausgabe.
2 Martin Heidegger,
Nietzsche II, S. 599-454. Verlag Gunter Neske, Pfullin-gen 1961.
3 Unveroffentlichte
Abhandlung aus der III. Abteilung der Gesamtausgabe.
4 Unveroffentlichte
Abhandlung aus der III. Abteilung der Gesamtausgabe.
Anhang 61
Beilage zu I, l (S.
5)
Nicht die ubungen
- in ihrem eigenen Gang - storen und ablenken. auch nicht von
aussen im Fragen an Hegels Philosophie hinzwingen, sondern aus
ihrem eigenen Standpunkt und ihrem "Prinzip".
Ob dazu eine
Notwendigkeit und Not, ob Hegel noch etwas "Wirkliches",
ob Hegel je etwas Wirksames gewesen. "Abseitig" - jede
"Philosophie".
Welcher
"Standpunkt" des Denkens? Absoluter Idealismus;
gegen
Reflexionsphilosophie und gemass dem "Prinzip". Wie
Philosophie bestimmt? Welches Prinzip?
Grund des Systems:
Substanz ist Subjekt1; "Sein" ist "Werden",
aber gemass dem Standpunkt sein Anfang. Vorrede: Sub-stantialitat
ist Subjektivitat (das Ich denke); Sein ist Werden - Seiendheit
und Denken.
Wie zur
Herausstellung der "Negativitat"? (Vgl. Einleitung und
Vorrede zur "Phanomenologie des Geistes"). Substanz als
Subjekt.
Denken als
Vollzugsform; Vorgabe des Leitfadens der Auslegung. Denken der
Leitfaden; Seiendheit - Gedachtheit; Denken aber Aussagen (vgl.
"Sein und Zeit").
G.W.F. Hegel, Phanomenologie
des Geistes (ed. Hoffmeisler, 1957). Vorrede, S. 20.
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vispir^press 2000
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